Die Tracht hat extrem harte Zeiten hinter sich. Wie sind Sie durch die Krise gekommen? Welche Maßnahmen mussten Sie setzen?
Ich muss zugeben, für mich als junge Geschäftsführerin war es eine emotional anstrengende Zeit, aber im Nachhinein betrachtet wächst man an seinen Herausforderungen. Ich habe unsere Kunden besser kennengelernt und festgestellt, dass ein großer Teil sehr loyal ist und auch mal ordern, wenn sie nichts brauchen. Es wurde stets gemeinsam nach Lösungen gesucht und das macht uns als Trachtenfamilie auch aus. Die Kurzarbeit war sehr hilfreich, wir konnten mit einem Großteil des Personals durch die Krise gehen. Generell war mein Glück, dass mein Stiefvater den Betrieb sehr gesund geführt hat, deshalb hatten wir die Reserven, die wir brauchten.
Jetzt scheint es wieder bergauf zu gehen. Wie entwickelt sich die Vororder für Frühjahr/Sommer 2023? Bewegt man sich schon wieder auf Vor-Krisenniveau? Wie kaufbereit ist der Handel?
Ja, wir bewegen uns in Richtung Vor-Krisenniveau, aber wir haben auch erst drei Wochen verkauft und wie es so schön heißt »Abgerechnet wird zum Schluss«. Die Händler sind motiviert und die Stimmung ist gut. Es macht wieder Spaß in der Tracht tätig zu sein.
Dirndl und Lederhosen, hört man aus dem Markt, sind wieder gefragt. Können Sie das so bestätigen?
Für die Lederhosen kann ich nicht sprechen, aber beim Dirndl kann ich die höhere Nachfrage bestätigen. Hier besteht ein Aufholbedarf von zwei schwachen Jahren. Alle Feste finden statt und die Händler haben teilweise zu wenig Ware dieser Produktgruppe auf der Fläche.
Welche Farben, welche Details prägen die neue Dirndl-Kollektion?
Wie immer gehen beim Dirndl die Klassiker wie Grün, Rot, Blau, aber dieses Jahr mischen sich frische Gelbtöne, zarte Pudertöne in Kombination mit Zimttönen ebenso in die Trends, wie ein kräftiges Türkis. Naturmaterialien geben auch im festlichen Bereich den Ton an und werden mit Kunstfasern gemischt, um ideale Pflegeeigenschaften zu erzeugen. Ein Trend zur Schlichtheit und zurück zur Tradition ist zu beobachten.
Wie geht Wenger mit der Lieferkettenproblematik um? Wie betroffen sind Sie?
Wir müssen uns im Moment extremen Preissteigerungen und längeren Lieferzeiten bei den Materialien stellen, vor allem beim Zubehör, welches früher immer sehr kurze Lieferzeiten hatte. Zudem haben wir im Moment einen Engpass an Nähkapazitäten in unseren Lohnbetrieben. Es gibt immer noch Ausfälle durch Corona und Mitarbeiter wurden jetzt über zwei Jahre hinweg abgebaut und es ist unrealistisch diese in ca. 4 Monaten wieder alle aufzubauen, weil wenn wir ehrlich sind, läuft die Tracht erst wieder, seit die Feste wieder erlaubt sind und das war im März/ April 2022. Es wird eine Zeit dauern bis wieder alles rund läuft, aber ich bin optimistisch, dass dies zumindest in absehbarer Zeit der Fall sein wird und bis dahin müssen wir alle auf alles einfach ein bisschen länger warten. Wir sind im ständigen Austausch mit unseren Lieferanten und versuchen nach gemeinsamen Lösungen zu suchen. Im Allgemeinen haben wir den Vorteil, dass wir alles in Europa fertigen und auch die Materialien hier beziehen, und somit kürzere Wege haben als so mancher unserer Marktbegleiter.
Geben Sie allgemeine Preissteigerungen weiter?
Alle können wir nicht weitergeben, weil sich im Moment Preise auch während der Saisonen erhöhen und wir ein Produkt, das wir zu einem gewissen Preis verkauft haben, nicht im Nachhinein erhöhen. Aber prinzipiell geben wir die Steigerungen weiter. Ich wäre keine gute Geschäftsfrau, wenn ich es nicht täte. Firmen, die nicht rechnen können, haben vermutlich ein Ablaufdatum.
Wie sieht Ihre Prognose für die kommenden zwei Saisonen aus?
Ich bin ehrlich gesagt prinzipiell immer optimistisch. Ich bin aber auch realistisch, dass wir ca. zwei Jahre brauchen werden, um uns von dieser Krise zu erholen. Dennoch freue ich mich auf die nächsten Ordersaisonen und auf eine Zeit, in der wir Tracht wieder lieben und leben können.