Die Oeko-Tex-Gemeinschaft feiert heuer ihr 30-jähriges Jubiläum. Helene Melnitzky vom österreichischen Partnerinstitut OETI im Interview über die Marktentwicklung sowie aktuelle Zertifizierungen und Labels, etwa für recycelte Materialien.
Sind auch die Arbeitsbedingungen für Oeko-Tex ein Thema, oder nur der Umwelt- und Gesundheitsaspekt?
Neben der Produktsicherheit arbeitet Oeko-Tex schon seit 30 Jahren am Thema umweltfreundliche und unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellte Textilprodukte. Vor fünf Jahren wurde das auf Lederprodukte erweitert. Mit STeP by Oeko-Tex gibt es seit 2013 eine Zertifizierung von umweltfreundlichen Betriebsstätten. Diese Zertifizierung umfasst die Module Chemikalienmanagement, Umweltleistung, Umweltmanagement, Qualitätsmanagement, Gesundheitsschutz und Arbeitssicherheit sowie soziale Verantwortung. Wir bereiten also seit dreißig Jahren den Markt für dieses Thema auf. Dabei schaffen wir immer neue Dinge – wie beispielsweise aktuell den Impact Calculator und ab Herbst 2022 die neue Zertifizierung für Marken und Einzelhändler: Responsible Business by Oeko-Tex.
Was ist der Impact Calculator und welche Vorteile bringt er?
STeP-zertifizierte Betriebe können dieses Tool auf freiwilliger Basis nutzen und damit ihren CO2- und Wasserfußabdruck berechnen. Bezieht ein Kunde alles sehr regional, wird er einen geringeren Fußabdruck haben als eine Firma, die ihre Produkte aus verschiedenen Ländern bezieht. Diese Berechnungen können dann für die externe Kommunikation verwendet werden, um den Impact auf den Produkten direkt oder online auszuweisen. In Zukunft muss es ja so sein, dass der Wasser- und CO2-Fußabdruck am Produkt zu sehen ist. Dann kann der Konsument entscheiden, ob er Produkt A oder B kaufen möchte.
Welche Entwicklung bemerken Sie beim Thema Arbeitsbedingungen?
Auch dieses Thema gewinnt seit zehn Jahren immer mehr an Bedeutung. Es gibt mittlerweile genug Druck auf Brands und Einzelhändler, damit die Arbeitsbedingungen vor Ort verbessert werden. Diesen Bereich decken wir im Rahmen der STeP Zertifizierung mit dem Modul »Soziale Verantwortung« ab. In weiterer Folge können unsere Kunden mit dem »Made In Green«-Label darstellen, wie sie im sozialen Modul abgeschnitten haben.
Was bedeutet »Made In Green«?
Das »Made In Green by Oeko-Tex«-Label ist ein nachverfolgbares Produktlabel für alle Arten von Textilien und Lederartikel, die in umweltfreundlichen Betrieben und an sicheren und sozialverträglichen Arbeitsplätzen produziert wurden. Zudem gibt das Label den Konsumentinnen und Konsumenten die Gewissheit, dass das Produkt aus schadstoffgeprüften Materialien besteht. Voraussetzung ist die Zertifizierung der Konfektionen und Nassproduktionsstätten nach STeP by Oeko-Tex.
Stark im Kommen ist das Thema der recycelten Mode. Bieten Sie auch hier Zertifizierungen an?
Seit einem Jahr kann man im Rahmen der »Standard 100«-Zertifizierung auch recycelte Materialien zertifizieren lassen und in Form eines Anhängeetiketts kommunizieren, dass das Produkt zu einem bestimmten Anteil aus recycelten Materialien besteht. Das Produkt muss dabei mindestens einen Recycling-Anteil von 20 Prozent enthalten.
Auf welche Anforderung des Marktes antworten Sie damit?
Es wird immer mehr gefordert, dass zumindest ein Teil des Produkts aus recyceltem Material hergestellt werden muss. Dies entsteht einerseits aus Druck, weil Rohmaterialien knapp und teuer sind, andererseits auch freiwillig, um die Verbraucherinnen und Verbraucher über Recycling im Sinne der Kreislaufwirtschaft zu informieren.
30 Jahre hat Oeko-Tex hinter sich. Geben Sie einen kurzen Ausblick auf die Zukunft?
Textil- und Lederprodukte umweltfreundlicher und fair zu produzieren und dabei die Wertschöpfungskette transparent darzustellen, ist eine globale Herausforderung, die nicht nur neue ökologische Standards setzt, sondern langfristig auch wichtige ökonomische und soziale Aspekte beinhaltet. Es geht darum, ein größeres Bewusstsein für diese Wechselwirkungen und ein gemeinsames Verständnis für Umweltthemen zu schaffen – bei den Produzenten und natürlich bei den Endverbraucherinnen und Endverbrauchern. Klar erkennbar ist, dass die Nachfrage nach Produkten, die zertifiziert und rückverfolgbar sind, immer größer wird. Das spiegelt sich im Kaufverhalten und somit bei der Produktion wider. Trotzdem gibt es noch viel zu tun.