Ukraine-Krieg: Kein Luxus mehr für Russland
Ukraine-Krieg

Kein Luxus mehr für Russland

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Im Luxus-Departmentstore ZUM in Moskau sind die Shops der großen Luxusmarken bereits leergefegt. Da in Russland strenge Zensur herrscht, werden von den Betreibern »technische Gründe« für die einstweilige Schließung verantwortlich gemacht.
Im Luxus-Departmentstore ZUM in Moskau sind die Shops der großen Luxusmarken bereits leergefegt. Da in Russland strenge Zensur herrscht, werden von den Betreibern »technische Gründe« für die einstweilige Schließung verantwortlich gemacht.

Die Europäische Union verbietet den Export von Luxusgütern nach Russland. Betroffen ist auch Bekleidung im Wert von über 300 Euro. Zuvor hatte sich die Luxusindustrie schwer damit getan, mit Russland zu brechen.

Die Europäische Union verbietet den Export von Luxusgütern nach Russland. Das sieht das heute, Dienstag, final beschlossene vierte Sanktionspaket vor, mit dem die EU auf Russlands Krieg gegen die Ukraine reagiert.

Nicht mehr exportiert werden dürfen demnach Güter aus fast 400 verschiedenen Exportkategorien, wenn der Wert 300 Euro pro Artikel überschreitet. Die Liste umfasst u. a. Handtaschen, Leder- und Pelzbekleidung, Mäntel, Anzüge, Schuhe, Hemden und andere Bekleidungskategorien sowie Computer, Smartphones, Kaviar, Trüffel, Bier, Champagner, Zigarren, Parfums, Schmuck und Gold. Die Finanz-Nachrichtenagentur Bloomberg kommt in ihren Berechnungen auf einen Exportwert von insgesamt rund 25 Milliarden US-Dollar pro Jahr, der betroffen ist. Für Autos und Boote wurde eine Wertgrenze von 50.000 Euro festgelegt, für Motorräder eine von 5.000 Euro.

Die genaue Preisgrenze war laut Bloomberg Gegenstand zahlreicher Debatten unter den Mitgliedstaaten, »wobei Lobbygruppen mehrere Regierungen dazu drängten, sich auf hohe Werte zu einigen«, wie Bloomberg vorliegende Dokumente zeigen. Durch die nun vereinbarte pauschale 300-Euro-Grenze bleiben einige Kategorien weitgehend von dem Verbot verschont. Wie bei früheren Sanktionen, die gegen Russland verhängt wurden, sind auch bestehende Verträge ausgenommen, wodurch sich die Umsetzungstermine um mehrere Monate verzögern. Einige der Schritte haben so mehr symbolisches Gewicht als wirtschaftlichen Biss.

Das Ausfuhrverbot für Luxusgüter zielt vor allem auf die vielen reichen Unterstützer Putins ab. Von vielen waren zuletzt bereits im Westen vorhandene Vermögenswerte eingefroren worden. Zudem dürfen die Betroffenen auch nicht mehr in die EU einreisen. »Diejenigen, die Putins Kriegsmaschinerie am Laufen halten, sollten nicht länger ihrem pompösen Lebensstil frönen können, während Bomben auf unschuldige Menschen in der Ukraine fallen«, erklärte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen am Freitag nach dem EU-Gipfel in Versailles bei Paris.

Weitere Sanktionen

Neben dem Importstopp für Luxusgüter sieht das neue Sanktionspaket vor, die Einfuhr bestimmter Produkte der russischen Eisen- und Stahlindustrie zu untersagen. Dies sei ein Schlag gegen einen zentralen Sektor des russischen Systems und bringe das Land um Ausfuhrerlöse in Milliardenhöhe, teilte die Kommissionspräsidentin mit.

Zudem ist ihren Angaben zufolge ein umfassendes Verbot neuer Investitionen in den gesamten russischen Energiesektor geplant und Russland sollen handelspolitische Vergünstigungen gestrichen werden, die es eigentlich als Mitglied der Welthandelsorganisation WTO hat. Nach Angaben von der Leyens wird man sich ferner dafür einsetzen, Russlands Rechte als Mitglied in wichtigen multilateralen Finanzinstitutionen, einschließlich des Internationalen Währungsfonds und der Weltbank, auszusetzen. »Wir werden sicherstellen, dass Russland von diesen Institutionen keine Finanzmittel, Darlehen oder sonstigen Vorteile mehr erhalten kann«, kündigte sie an. »Denn Russland kann nicht einerseits grob gegen das Völkerrecht verstoßen und andererseits erwarten, in den Genuss der Privilegien als Teil der internationalen Wirtschaftsordnung zu kommen.«

Längere Reaktionszeit bei Louis Vuitton & Co.

Zwei Tage nachdem Russland seine Panzer in die Ukraine geschickt hatte, empfing Louis Vuitton in Moskau noch wohlhabende Kunden bei Sushi und Champagner. Seit 4. März sind die Geschäfte des Luxus-Unternehmens in Russland geschlossen. Auch Kering, Hermès und Chanel haben inzwischen die Läden ihrer Boutiquen in Russland heruntergelassen. Im Luxuskaufhaus ZUM gibt es ganze Abteilungen mit leeren Regalen, etwa Prada, Gucci und Louis Vuitton haben ihre Waren weggepackt. Von »technischen Gründen« ist die Rede, schon bald sollten Kunden mit jenen Waren wieder bedient werden. Offiziell darf in Russland nicht davon geredet werden, dass Putins Krieg westliche Unternehmen en masse die Flucht ergreifen lässt. Aber wann und ob es weiter geht, ist unklar – auch für das Personal, das um Job und Einkommen fürchtet.

Noch in den ersten Tagen des Krieges hatten sich Kundinnen und Kunden mit Kleidung und Technik eingedeckt: Viele nahmen die alten Preise zum Anlass, ihr Geld vor der Entwertung zu retten und lieber in Einkäufe zu investieren.

Frankreich zögert

Besonders die französische Luxusindustrie zögert, sich allzu russlandkritisch zu zeigen.Dafür ist die russische Kundschaft zu wichtig. Auch die französischen Regierung hat bisher darauf verzichtet, französische Unternehmen zum Rückzug aus Russland zu drängen.

Noch bevor LVMH sich dazu entschloss, seine Filialen zu schließen, kündigte das Unternehmen Spenden in Höhe von 5 Mio. € für das Internationale Komitee vom Roten Kreuz an, »um direkten und indirekten Opfern des Konflikts zu helfen«. Die Worte Krieg oder Russland kamen in der Mitteilung nicht vor.

Das direkte Russland-Geschäft ist für die französischen Marken von den Zahlen her nicht besonders wichtig. Aber reiche Russinnen und Russen kaufen Handtaschen, Uhren, Seidentücher und Kosmetik eben nicht nur in Russland, sondern auch in Paris, im Skiort Courchevel oder an der Côte d'Azur, die schon seit dem 19. Jahrhundert ein Tummelplatz für all jene aus Russland ist, die sich etwas leisten können.

Zwei Prozent Umsatzanteil

LVMH hat im vergangenen Jahr mehr als 64 Mrd. € Umsatz gemacht, nach Angaben von »Le Monde« nur 2 % davon in Russland. Das Unternehmen hat nach eigenen Angaben 124 Geschäfte und 3.500 Beschäftigte in Russland, deren Gehälter nun weiter bezahlt werden sollen. LVMH kündigte zudem finanzielle und psychologische Hilfen für seine Beschäftigten an.

Chanel hat 17 Geschäfte und etwa 370 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen in Russland, Hermès drei Geschäfte und rund 60 Beschäftigte. Die Eröffnung eines Hermès-Ladens in St. Petersburg ist nun auf unbestimmte Zeit verschoben. Auch Kering und der Kosmetikkonzern L'Oréal haben ihre Geschäfte dicht gemacht. L'Oréal lässt seine Produktionsstätte in der Nähe von Moskau allerdings weiter laufen. Dort wird gut die Hälfte der Kosmetika hergestellt, die in Russland verkauft werden.
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