Tür an Tür fanden am 18. April der Supply Chain und der Sustainability Summit der TextilWirtschaft in Frankfurt statt. Während beim Nachhaltigkeitskongress über Kreislaufwirtschaft, Recycling und nachhaltige Zusammenarbeit gesprochen wurde, war der Tenor im Nachbarzimmer klar: China ist und bleibt das wichtigste Sourcing-Land. Dennoch müsse man die Lieferkette diversifizieren.
Auch wenn die Zahlen eine etwas andere Sprache sprechen, die Abhängigkeit von China ist eine gegenseitige, betonte Jörg Wuttke, Präsident der Europäischen Handelskammer in China, im ersten Vortrag des Supply Chain Gipfeltreffens der TextilWirtschaft. Pro Jahr, so der Experte, würden insgesamt 6,4 Millionen Container von China nach Europa geschickt. In die entgegengesetzte Richtung seien es lediglich 1,6 Millionen. China als Produktionsland zu verlassen, sei dennoch nicht die Lösung. Vielmehr laute das Schlagwort der Stunde Diversifizierung.
Diese Meinung teilte ein Großteil der Experten. Thomas Hebestreit, CEO der Hongkonger Royal Spirit Group, sprach in seinem Vortrag unter dem Titel „Global Sourcing im Wandel: Einschätzungen eines global agierenden Beschaffers“ über die Schwierigkeiten einer Produktion in Europa: „Das ist eine sterbende Industrie vollgepackt mit Problemen, die immer mehr Produktionsvorstufen aus Asien importieren muss, um die Preisvorgaben der Bekleidungsindustrie zu erfüllen“. Damit führe an China kein Weg vorbei. „Ohne China läuft nichts“, so der Experte. Eine ernstzunehmende Alternative sehe er in Vietnam, in Bangladesch erwarte er ab 2024 Kapazitätsprobleme, denn: „Jeder, der in Anfangspreislagen tätig ist, muss dorthin.“
Ein Highlight des Vormittags bildete eine Talk-Runde mit Ralf Düster, Co-Founder & Mitglied des Vorstands bei Setlog, Horst Gersmeyer, Group COO und Mitglied der Geschäftsführung der Seidensticker Gruppe, Oliver Hein, COO der s.Oliver Group und Marina Klostermann, Director Key Account Management Europe bei Forto. Das Gespräch stand unter dem Titel „Energiekrise, Inflation & Konsumzurückhaltung – wie gehen die Player der Fashion Branche mit den Herausforderungen im Supply Chain Management um?“
Gersmeyers größtes Learning aus den zurückliegenden Krisenjahren: „Die Aussage ‚Never waste a good crisis' hat sich für uns nur bewahrheitet. Wir wurden gezwungen uns anzupassen und unsere Lieferketten neu zu denken. Der gute alte Risikopuffer hat eine Renaissance erlebt, ich glaube es ist ratsam, aktuell auf ein bisschen Effizienz zu Gunsten von Resilienz zu verzichten.“ Für Oliver Hein liege der Schlüssel in proaktiver Kommunikation: „Wir möchten Veränderungen nicht hinterherlaufen. Die Zusammenarbeit mit den Produzenten ist bei uns noch viel enger geworden, eine Konzentration auf die richtigen Lieferanten ist sehr wichtig.“ Preisverhandlungen müssten aktuell in die zweite Reihe rücken, vielmehr gehe es um gemeinsame Erfolge.
Die wachsende Bedeutung von ehrlich gelebter Partnerschaft bestätigte auch Ronny Hirth, der das Supply Chain Management von Sport Scheck verantwortet. Gemeinsam mit Marcus Karten, Director Fashion Lifestyle von Fiege Logistik, zeigte er auf, wie die Herausforderungen in puncto Distribution und Bevorratung gemeistert werden können. Datentransparenz sei in diesem Kontext ein wichtiges Schlagwort – sowie das Vertrauen des Kunden gegenüber seinem Logistiker und dem Commitment des Logistikers, die Bedürfnisse des Kunden in Sonderprozessen genau verstehen zu wollen.
Christian Kühnhold, Geschäftsführender Gesellschafter der Smart City Loop GmbH, gab zum Abschluss einen Ausblick darauf, wie Mode in Zukunft effizient, schnell und bedarfsgerecht in Städte geliefert werden kann, konkret automatisiert in unterirdischen Fahrrohrleitungen. In Hamburg wird bereits an der Umsetzung des Konzeptes gearbeitet.