Immer mehr Unternehmen stellen aus Protest gegen den Umgang von Facebok mit Hasskommentaren ihre Werbeaktivitäten auf der Plattform ein.
Kürzlich wurde als eine der Konsequenzen der aktuellen Black Lives Matter-Kampagne die Initiative #StopHateForProfit gegründet. Mit Stichtag Sonntag veröffentlichte die Plattform eine Liste von mittlerweile 90 Unternehmen, die zumindest für Juli ihre Werbeaktivitäten auf Facebook in den USA stilllegen wollen. Ursprünglich waren es eher kleine Unternehmen, die so ihrem Protest Ausdruck verleihen wollten, mittlerweile haben sich mehrere multinationale-Konzerne dem Boycott angeschlossen, darunter Honda, Unilever, Coca-Cola oder der US-amerikanische Süßwaren-Erzeuger Hershey’s.
Unverzichtbares Werbevolumen
Facebook setzte im vergangenen Jahr fast 70 Milliarden US-Dollar in Werbeeinnahmen um. Auf der anderen Seite wurde die Plattform und ihr CEO Marc Zuckerberg in der Vergangenheit schon des Öfteren für ihren laxen Umgang mit kontroversen Themen kritisiert. Der nun immer weitere Kreise ziehende Boycott könnte Facebook große Probleme bereiten.
Levi Strauss & Company gibt jedes Jahr 2,8 Millionen US-Dollar für Werbung auf Facebook aus. Vergangene Woche hat Marketingverantwortlicher in einem Post davon gesprochen, dass die Plattform daran gescheitert sei, Falschinformationen und Hasskommentare zu stoppen. Dies würde Rassismus und Gewalt befeuern und hätte das Potential, demokratische Entwicklungen zu bedrohen. Folglich würde das Unternehmen zumindest im Juli seine Werbeaktivitäten auf Facebook aussetzen: „Wann wir uns hier wieder engagieren, hängt von der Reaktion von Facebook ab,“ so Sey. Auch Lululemon, Spezailist für Yoga- und Fitness-Bekleidung hat sich dem Boycott angeschlossen. Bis dato hatte man hier 1,6 Millionen jährlich für Werbung ausgegeben. Auch der Mode-Filialist Eddie Bauer (1,4 Millionen US-Dollar pro Jahr) kündigte an, seine Aktivitäten auf Facebook und Instagram auszusetzen.
Dem Outdoor-Spezialisten Patagonia war es bisher 6,2 Millionen jährlich wert, auf Facebook Werbepräsenz zu zeigen. Nun hat man weltweit alle Schaltungen auf Facebook und Instagram entfernt und sei erst wieder zu Gesprächen bereit, wenn Facebook vernünftige Maßnahmen setzt.Auch The North Face (3,3 Millionen jährlich) vermeldete auf Twitter: “Wir sind dabei! Wir sind draußen.“ Beide Unternehmen wollen aber weiterhin auf Facebook und Instagram Gratis-Content zur Verfügung stellen.
Europäische Verhältnisse
Facebook kündigte in der Zwischenzeit an, verstärkt gegen Hasspostings und Falschmeldungen vorgehen zu wollen. Experten sind sich zudem sicher, dass der Werbe-Boycott auf die USA beschränkt bleiben wird: „Rund um die ausufernde Polizeigewalt in den Vereinigten Staaten hat sich eine wirkliche Brand-Safety-Katastrophe offenbart,“ so Eugen Schmidt, Leiter des Online-Vermarkterkreis (Interessenvertretung der österreichischen Digitalvermarkter und -Publisher im Rahmen des iab austria). „Wie sollen Unternehmen einem Umfeld vertrauen, das bewusst Hassnachrichten und Falschmeldungen billigt, um die Reichweite zu steigern? Die US-Digitalgiganten befinden sich in einem enormen Interessenkonflikt, dessen Lösung nicht in Sicht ist!“ Allerdings ist er überzeugt, dass Vergleichbares auf österreichischen und europäischen Publisher-Portalen nicht passieren könne: „Die hohen Ansprüche der Medien an Qualitätsjournalismus, die Eigenverantwortung der Journalisten sowie die gesetzlichen und moralischen Rahmenbedingungen lasen es nicht zu, dass mit blankem Hass gute Geschäfte gemacht werden.“ Investitionen in die sozialen Medien der US-Digitalgiganten ermöglichten erst ein Biotop, in dem Diskriminierung, Rassenfeindlichkeit und Fake News gedeihen können. Zudem warnt Schmidt vor falschen Sperrlisten, die wiederum zu Diskriminierungen führen könnten, etwa indem sie ganze Themenfelder blockieren: „Brand Safety ist absolut wichtig und richtig. Die Entscheidung, was sicher ist, muss auf nationaler Ebene und mit Kenntnis des Marktes und der Nachrichtenlage getroffen werden. Der Ausschluss ganzer Themenkreise wie beispielsweise der LGBTIQ-Community kann den exakt gegenteiligen Effekt einer gut geplanten Kampagne bewirken“, warnt Schmidt. „Und auch die beste Sperrliste und das beste Brand-Safety-Tool sollten nur mit Augenmaß und Hausverstand genutzt werden!“ Er rät daher zu Zusammenarbeit mit nationalen Partnern: „Anstand und gesellschaftliche Verantwortung werden durch die Konsumentinnen und Konsumenten aktiv von Marken eingefordert. Das Wertekonstrukt und die Haltung einer Marke lassen sich leicht am Werbeverhalten ablesen, wodurch sich relevante Auswirkungen auf das Geschäft ergeben.“
Informationen auf https://www.iab-austria.at/ag-ovk.