Die umstrittene Palmers-Tochter Hygiene Austria trat ihr Geschäft mit Schutzmasken an eine Firma einer Wiener Anwaltskanzlei ab. Die Hintergründe bleiben unklar. An die 80 Klagen sind anhängig, großteils gegen Zeitarbeitsfirmen.
Die ehemals gemeinsame Maskenfirma von Palmers und Lenzing, Hygiene Austria, hat den Teilbetrieb »Herstellung und Vertrieb von FFP2-Masken sowie MNS« an eine Tochterfirma einer Wiener Anwaltskanzlei verkauft, wie aus dem »Firmencompass« hervorgeht. Zuerst haben die »Salzburger Nachrichten« darüber berichtet. Die Hintergründe des Verkaufs blieben zunächst unklar. Zu den Details sei Stillschweigen vereinbart worden, hieß es von Hygiene Austria zur Zeitung.
Laut der Zeitung erfolgte der Verkauf von Maschinen, Material und Ware bereits im Mai. Käufer ist die BNB.healthcare GmbH. Geschäftsführer ist der Wiener Anwalt Thomas In der Maur. Seine mit Partnern betriebene Kanzlei ist Alleingesellschafter. Gegenüber den »Salzburger Nachrichten» wollte er am Freitag nicht über die weiteren Pläne sprechen. Als Geschäftszweig ist im Firmenbuch »Entwicklung, Herstellung, Vermarktung und Handel von bzw. mit Hygiene- und Schutzartikeln, insbesondere Schutzmasken« vorgesehen.
Hygiene Austria hatte vor wenigen Tagen noch erklärt, man wolle die Produktion weiterführen und das Sortiment erweitern. In einer schriftlichen Stellungnahme gegenüber den »SN« blieb das Unternehmen – trotz verkaufter Produktion – dabei: Am Firmensitz in Wiener Neudorf würden weiterhin Masken produziert. »Der Bedarf an zertifiziertem Maskenschutz ist in Österreich und weltweit groß: Das ist für uns ein Ansporn, die Produktion weiterzuführen und das Sortiment zu erweitern«, hieß es gegenüber der Zeitung. Man habe neue Produktionsmaschinen angeschafft und betreibe 16 Maschinen für FFP2-Masken, drei für OP-Masken und sechs Maschinen für Mund-Nasen-Masken. Wieso verkauft man das Inventar, wenn man weiter Masken produzieren will? Geschäftsführerin Claudia Witzemann, die erst Anfang April neu ins Unternehmen geholt wurde, wollte der Zeitung keine weiteren Fragen beantworten.
Fast 6 Mio. Euro Gewinn für Hygiene Austria
Hygiene Austria hatte in der Coronapandemie Schutzmasken aus China als österreichische verkauft. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen des Verdachts auf Schwarzarbeit und Betrug. Als der Etikettenschwindel aufflog, zog sich der Faserhersteller Lenzing nach einem Streit mit dem ehemaligen Partner Palmers aus dem Unternehmen zurück. Palmers war seither Alleineigentümer. Wie aus dem mittlerweile im Firmenbuch hinterlegten Abtretungsvertrag hervorgeht, betrug der Kaufpreis für Lenzings Anteil einen Euro. Zusätzlich wurde ein sogenannter Earn-out-Betrag vereinbart, also ein erfolgsabhängiger Anteil des Kaufpreises, der später ausgezahlt wird. In diesem Fall sind es 17 Prozent des Umsatzes der Gesellschaft, die Lenzing jedes Jahr bis Ende 2025 zustehen, maximal jedoch 3,6 Mio. Euro.
Die Hygiene Austria hatte mit dem Maskenverkauf 2020 gut verdient, wie die »SN« weiter berichten. Bei einem Umsatz von rund 19 Mio. Euro erzielte man ein Ergebnis vor Steuern (EBT) von 7,6 Mio. Euro und ein Gesamtergebnis von 5,7 Mio. Euro, schrieb die Zeitung unter Berufung auf die Lenzing-Bilanz. Laut dem Abtretungsvertrag verzichtete Lenzing rückwirkend auf Ausschüttungen.
Weiterhin keine Details zu FFP2-Masken aus China
Indes ist mehr als drei Monate nach Bekanntwerden der Unregelmäßigkeiten weiterhin offen, wie viele FFP2-Masken aus China bezogen und umetikettiert wurden. »Derzeit läuft eine forensische Prüfung «, hieß es in einer schriftlichen Stellungnahme von Hygiene Austria gegenüber den »Salzburger Nachrichten«. Im Fokus einer Hausdurchsuchung standen auch die Arbeitsbedingungen der großteils über Leiharbeitsfirmen beschäftigten Mitarbeiter. Die Ermittlungen der WKStA gegen Hygiene Austria laufen noch. Bei der Arbeiterkammer haben sich in den vergangenen Monaten mehr als 120 Leiharbeiter gemeldet, die bei beim Markenhersteller beschäftigt waren. Bereits mehr als 75 Klagen – der Großteil gegen Zeitarbeitsfirmen, aber auch mehrere gegen Hygiene Austria – hat die Arbeiterkammer beim Arbeits- und Sozialgericht eingereicht. »Wenn die Arbeitskräfteüberlasserfirma nicht zahlt, kann auch der Beschäftigerbetrieb haftbar gemacht werden«, sagte die AK-Juristin Andrea Ebner-Pfeifer den »Salzburger Nachrichten«.
Auch der Verein für Konsumenteninformation (VKI) geht im Auftrag des Sozialministeriums mit einer Klage gegen die nach Ansicht der Verbraucherschützer irreführende Bewerbung von FFP2-Masken der Hygiene Austria als »Made in Austria« vor. Weiters hat der Handelskonzern Rewe (u.a. Billa, Bipa, Penny) laut Zeitung rechtliche Schritte gegen den Maskenproduzenten eingeleitet.