Laut Experten stecken derzeit etwa 12 Prozent aller weltweit verschifften Waren fest. Zusätzlich belasten die steigenden Energiepreise die Logistikbranche massiv. Auch Paketdienstleister stöhnen.
In den seit Beginn der Coronapandemie zunehmend aus dem Takt geratenen Lieferketten auf See ist nach Daten des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW) noch keine Entspannung in Sicht. »Weltweit nimmt die Anzahl der in Staus befindlichen Schiffscontainer wieder zu«, berichtete das Institut in der Vorwoche. »Derzeit stecken etwa 12 Prozent aller weltweit verschifften Waren fest – im vergangenen Jahr lag der Wert nur in zwei Monaten höher.«
In China waren seit Ausbruch der Pandemie immer wieder Häfen ganz oder teilweise geschlossen worden, weil Hafenarbeiter mit Corona infiziert waren. Schiffe müssen in solchen Fällen tagelang auf das Be- und Entladen warten oder auf andere Häfen ausweichen, vor denen sich dann ebenfalls Staus bilden. Eine ähnliche Situation herrscht seit langem auch vor den großen Häfen der USA, auch weil die Hafenlogistik mit dem Entladen und dem Weitertransport der Boxen nicht hinterherkommt.
Hafen von Shanghai weiter in Betrieb
Besondere Effekte des seit Ende März geltenden Corona-Lockdowns in der chinesischen Hafenmetropole Shanghai erkennen die Kieler Forscher derzeit (noch) nicht. »Wohl auch, weil der Hafen dort weiterhin betrieben wird«, sagt IfW-Ökonom Vincent Stamer.
Am IfW werden die weltweiten Handelsströme auf Basis von Echtzeitdaten über den Schiffsverkehr untersucht. Daraus gewinnen die Kieler Forscher sehr aktuelle Daten darüber, wie sich der Welthandel entwickelt.
Russland-Verkehr um die Hälfte eingebrochen
Aus den Daten lesen die IfW-Ökonomen beispielsweise auch die Wirksamkeit der gegen Russland verhängten Sanktionen ab. »An den drei größten Häfen Russlands, St. Petersburg, Wladiwostok und Novorossiysk, ist der Containerfrachtverkehr bereits um die Hälfte eingebrochen«, heißt es. Derweil ist die von Russland angegriffene Ukraine praktisch vom internationalen Seehandel abgeschnitten. »Den wichtigsten Hafen des Landes, Odessa am Schwarzen Meer, hat seit Kriegsausbruch kein großes Containerschiff mehr angelaufen.«
Steigende Energiepreise…
Dazu kommen die seit dem Ukraine-Krieg stark gestiegenen Energiekosten, die die Unternehmen im Bereich Logistik und Verkehr massiv belasten. »Die hohen Energiepreise zwingen die Logistikbranche in die Knie«, sagte Carsten Taucke, Präsidiumsmitglied des deutschen Bundesverbands Großhandel, Außenhandel, Dienstleistungen (BGA). »Insbesondere kleine und mittelständische Unternehmen sind nicht mehr in der Lage, die steigenden Diesel- und Gaspreise zu stemmen.«
In Deutschland wurde eine Senkung der Mineralölsteuer beschlossen – für Taucke ein erster richtiger Schritt. Allerdings sei die Entlastung auf drei Monate befristet, was nicht ausreiche. Die Wirtschaft brauche grundsätzlich bezahlbare Energiepreise. »Um die Versorgung der Bevölkerung nicht zu gefährden, muss eine Insolvenzwelle in der Transportbranche abgewendet werden«, forderte Taucke, der Chef des Logistikers Nagel ist.
… und steigende Frachtraten
Die Unternehmen trügen zwar die Sanktionen aus Überzeugung mit, spürten dadurch aber zusätzliche Belastungen. Die Sanktionen beeinflussen laut BGA die Lieferketten in einer Region, die für den Transport zwischen Asien und Europa entscheidend ist. Das treibe die Kosten deutlich hoch – durch das Ausweichen auf alternative Routen oder Transportmittel und die steigenden Energiepreise. »In Folge des Krieges in der Ukraine gehe ich von einer weiteren Steigerung der Frachtraten aus«, sagte der Vorsitzende des BGA-Verkehrsausschusses. Zudem gebe es auf den seit längerem akuten Personalmangel in der Logistik bisher keine Antworten. »Viele Fahrer stammen aus der Ukraine und Russland.« Die Ausfälle könne man nicht ersetzen, betonte Taucke. »In Deutschland fehlen aktuell rund 60.000 bis 80.000 Berufskraftfahrer.«
Paketdienstleister für Verschiebung des CO2-Preises
Die neuen Herausforderungen machen auch vor den Paketdienstleistern in Österreich nicht Halt. »Die Strompreise haben sich seit Mai 2021 verdoppelt und die Gaspreise verfünffacht. Zudem haben sind die Treibstoffpreise extrem gestiegen«, so Oliver Wagner, Geschäftsführer des Zentralverbandes Transport & Logistik. »Die Preisentwicklung in beiden Bereichen belastet die Unternehmen der Paketdienstleister enorm.«
Deshalb fordert der Zentralverband eine Verschiebung der ab Juli geplanten CO2-Bepreisung sowie ein zeitlich begrenztes Aussetzen von Abgaben auf Treibstoffe und Energiekosten. »Die Politik ignoriert bisher völlig, dass die stark von Energiepreisen abhängige Kurier-Express-Paketbranche, überproportional getroffen wird und durch damit verbundene Kostensteigerungen Wirtschaftsstandort und Kaufkraft weiter geschwächt werden«, erklärt Wagner.
Seit Beginn der Covid-19-Pandemie waren die KEP-Dienstleister mit außergewöhnlichen Paketmengen konfrontiert. Steigerungen von 17 Prozent von 2019 auf 2020 und nochmals 20 Prozent von 2020 auf 2021 wurden erfolgreich gestemmt und zeigen, welch wichtige Rolle die Paketlogistik bei der Versorgung der Menschen und Unternehmen spielt. »Mit der Ukraine-Krise ist nun eine weitere Herausforderung dazugekommen, die an die Substanz der Unternehmen geht und nur gemeinsam mit den Kunden gemeistert werden kann«, so Zentralverband-Geschäftsführer Wagner.