Kommentar: Fashion Shows - ein Zeichen des Zu...
Sabine Klimpt

Schon vor dem Ukraine-Krieg standen Fashion Shows als sinnlose Verherrlichung eines bizarren Luxuskults in der Kritik. Ausgerechnet jetzt, angesichts der Katastrophe, kommt ihnen plötzlich wieder eine wichtige Funktion zu.

Manche tragen blau-gelbe Schleifchen, andere haben sich die Landesfarben der Ukraine auf die Wangen gemalt. Sie sitzen wieder alle da, Stars, reiche Kundinnen und das sich gewohnt äuffällig gebende Heer an Influencern. Die Bilder wirken wie aus der Zeit gefallen, die Signale in Richtung Welt unfreiwillig hilflos. Während in der Ukraine Bomben fallen, soll man da tatsächlich weiter der selbstverliebten Leistungsschau eines Industriezweiges feiern, der gerade ganz weit an der gesellschaftlichen Realität vorbeischrammt? Spätestens seit der Show des Georgiers Demna Gvasalia für Balenciaga kann man sagen: ja! Gvasalias Models sind Heimatlose, die durch eine trostloses Schneegestöber stapfen und trotz Luxusklamotten eine traurige Erscheinung abgeben.


Die Wirtschaft insgesamt und das Modebusiness im Speziellen kann nicht im Vakuum agieren. Es gibt keine keimfreien und haltungslosen Sperrzonen mehr, in denen sich jeder und jede die eigene Realität herbeizaubern kann. Aber es zeigt Wirkung, wenn man - unter geänderten Vorzeichen - an Ritualen festhält, um Signale auszuschicken. Die Bilder der Balenciaga-Show gingen um die Welt, die Welle der Zustimmung für die triste Darstellung ebbt immer noch nicht ab.

Ausgerechnet die flügellahme Berliner Fashion Week will diese Signale in dieser Woche fortsetzen. Berlins regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey findet die Entscheidung richtig, die Modewoche trotz des Kriegs in der Ukraine stattfinden zu lassen. In Berlin entschied man sich für »jetzt erst recht«, denn: »Die Mode ist immer auch politisch, ist auch früher politisch gewesen. Denken Sie an die Jakobinermütze, die für Freiheit und Unabhängigkeit stand. Denken Sie an die lila Farben der Frauenbewegung.« Giffey erinnert auch an das Peace-Zeichen oder Farben, mit denen Menschen eine politische Botschaft verbinden. »Und deswegen ist diese Fashion Week auch politisch. Sie ist ein Zeichen des Zusammenhalts.« Medien tun gut daran, die Bilder der weltweiten Fashion Shows zu zeigen. Sie fungieren plötzlich nicht nur als das Abbild einer hedonistischen Scheinwelt, sondern als wirksames politisches Instrument. Eine Funktion der Mode(welt), von der man gar nicht mehr wusste, dass sie noch existiert.

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