Wie viel Tourismus braucht der heimische Handel? Und wie macht der Handel einen Tourismusstandort attraktiver? Die Textilzeitung sprach mit Modeunternehmer Florian Jonak.
Die Familie Jonak betreibt seit über 100 Jahren exklusivste Modegeschäfte in Wiens besten Lagen. Sie war unter anderem die erste, die Chanel nach Österreich brachte. Heute kann man mit fünf Stores (Hermès, Dolce&Gabbana, Napapijri, Versace und Giorgio Armani) in der City und weiteren Shops am Wiener Flughafen auf ein kleines Luxus-Imperium verweisen. Der Corona-bedingte Lockdown hat aber auch hier Spuren hinterlassen.
Corona hat sehr deutlich gezeigt, wie sehr sich Handel und Tourismus gegenseitig brauchen. Wie groß ist der Schaden, der durch die wirtschaftliche Vollbremsung entstanden ist?
Die Nachfrage ergibt das Angebot – das ist die Grundlage jedes Geschäfts. Wenn die Nachfrage zurück geht, dann ist das unangenehm. Dann muss man eben das Angebot reduzieren. Vom Rückgang des Tourismus in der City sind aber nicht nur die Textilhändler betroffen. Wir sitzen alle im selben Boot, egal ob Apotheken, Trafiken, Gastronomie oder die Hotellerie. Und viele haben in den vergangenen Jahren ihr Angebot auch entsprechend ausgeweitet. Dieser aktuell starke Rückgang ist natürlich eine große Herausforderung, auf die jeder individuell reagiert. Bei manchen bedeutet das aber auch eine Reduktion um 100 Prozent.
Haben sich die Händler in der City in den vergangenen Jahren vielleicht zu stark auf die Touristen konzentriert?
Das mag auf den einen oder anderen zutreffen. Wir sind als Unternehmen seit Jahrzenten in Wien etabliert und haben und hatten immer sehr engen Kontakt zu unseren einheimischen Kunden. Leider gibt es natürlich auch hier Rückgänge. Uns sind schlicht die Anlässe, zu denen sich unsere Kunden neu einkleiden, abhanden gekommen. Die Touristen sind aber im Laufe der Zeit immer wichtiger geworden. Das Angebot, das diese Gäste in Anspruch nehmen, ist sehr vielschichtig. Und natürlich zeigt sich die Lage für Händler in touristischen Hotspots anders, als abseits der Fremdenverkehrslagen: Wo man keine Touristen hatte, da kann man sie jetzt auch nicht vermissen.
Shopping ist für viele Menschen ein fixer Teil ihres Urlaubsprogrammes. Wie wichtig ist der Handel, um einen Tourismusort attraktiv zu machen?
Wien hat in den letzten 10 Jahren bei den Shopping-Möglichkeiten aufgeholt. Davor sind die Leute in erster Linie wegen der Habsburger-Geschichte, der Oper, wegen Museen oder Konzerten gekommen. Die internationale Hotellerie hat die Stadt wachgeküsst und bringt nun neue Gäste. Auch weltbekannte Marken haben Wien als Standort für sich entdeckt – man denke nur an das Goldene Quartier. Es hängt aber auch von Nationalitäten ab, was und wie viel gekauft wird: Asiaten wollen auf ihren Europa-Trips Wien sehen und bringen genau die Geschenke mit, um die sie daheim gebeten wurden, Russen kommen wegen Unterhaltung und Business und sehr viele Touristen wollen vorrangig Musik und Kultur genießen.
Stichwort touristischer Hotspot: Sie haben vor Kurzem einen Shop am Flughafen geschlossen.
Wir haben unsere Shops am Terminal D aufgelassen, allerdings wäre hier der Mietvertrag mit Jahresende ohnehin ausgelaufen. Auf Grund der massiven Einschränkungen im Reiseverkehr haben wir hier nun geschlossen – eben um ein halbes Jahr zu früh. Unsere anderen Shops am Flughafen bleiben aber bestehen.
Sie vertreiben hierzulande eine Reihe äußerst hochkarätiger Marken. Wie gehen die Labels mit der aktuellen Situation um?
Die Labels entwickeln ganz unterschiedliche Konzepte. Manche reduzieren Teile oder gewisse Segmente, Produktionen werden gedrosselt oder Kollektionen verschoben. Das ist von Marke zu Marke verschieden. Der Umfang der F/S Kollektionen 21 wurde jedenfalls zum Teil reduziert. Man muss aber auch sagen: Es gibt natürlich Bereiche, wo es schlechter läuft als vor der Krise, in manchen läuft es aber sogar besser.
Wann rechnen Sie wieder mit einer Vor-Corona-Normalität im Handel?
Das ist wirklich schwer zu sagen und hängt sicherlich mit der Entwicklung eines Impfstoffes und unserem Umgang mit dem Virus zusammen. Auch stellt sich die Situation international sehr unterschiedlich dar. In China und Russland etwa laufen die Geschäfte besser als vor der Krise.
Ich denke aber, dass es im Laufe des nächsten Jahres langsam wieder zu einer Normalisierung kommen wird. Wir sind alle gut vorbereitet und die Menschen sind viel vorsichtiger geworden. Die Talsohle haben wir wohl durchschritten.