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Institut für Handel, Absatz und Marketing

2G-Kontrollen im Handel: »Lose-Lose-Situation«

Andreas Röbl
Ernst Gittenberger und Christoph Teller vom IHaM der Johannes Kepler Universität Linz
Ernst Gittenberger und Christoph Teller vom IHaM der Johannes Kepler Universität Linz

Analysen zu Entwicklungen im Handel ziehen Ernst Gittenberger und Christoph Teller vom Institut für Handel, Absatz und Marketing (IHaM) der Johannes Kepler Universität Linz. Ihr Fazit: Es gibt keine Gewinner.

Die 2G-Kontrollen im Handel sind eine »Lose-Lose-Situation« zwischen höheren Kosten und »verlorenem« Ausgabenpotential. Zu dieser Meinung kommen der Institutsvorstand Christoph Teller und der Leiter Centre of Retail and Consumer Research des IHaM an der Kepler-Universität in Linz.

Der stationäre Non-Food-Handel ist zur professionellen und effektiven Umsetzung der 2G-Kontrollen »verdammt«, (auch) um etwaigen strikteren Covid-19-Schutzmaßnahmen (Lockdown) zuvorzukommen. Die Folgen sind höhere Personalkosten, Opportunitätskosten, geringere Attraktivität und ein »verlorenes« Ausgabenpotential von rund 100 Millionen Euro pro Woche.

Warum das Problem signifikant ist

Um das Kernproblem von 2G-Kontrollen für Handelsunternehmen erkennen zu können, muss man die Handelsprozesse verstehen. Unabhängig von der  Verkaufsform, i.e. Selbstbedienung, Teil-Selbstbedienung oder Vollbedienung  entscheidet sich ein Handelsunternehmen über einen ausgewogenen und effizienten Einsatz von Mitarbeiter:innen, denn Personal zählt neben dem Wareneinsatz zu den größten Kostenblöcken im Handel. Ziel muss sein, Personalressourcen je nach Nachfrage im Geschäft so einzusetzen, dass möglichst viele Besucherinnen und Besucher (z.B. durch Beratung) zu zahlenden »Kundinnen und Kunden« werden. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter mit einer zusätzlichen, nicht verkaufsfördernden Tätigkeit zu belasten, steht der Verfolgung dieses Ziels entgegen.

Die Kosten von 2G Kontrollen

  1. Zusätzliche Personalkosten: Bei hoher Kundenfrequenz kann die 2G-Kontrolle in Geschäften schwer in andere Abläufe integriert bzw. parallel zu Beratung, Kassiervorgang, etc. durchgeführt werden. Die somit entstehenden Wartezeiten für Kundinnen und Kunden können negativ wahrgenommen werden. Um dies zu verhindern ist zusätzlicher Personalaufwand notwendig. Betroffen sind vor allem kleinere Betriebstypen, da viele Prozesstätigkeiten von wenigen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gleichzeitig übernommen werden müssen. Daher ist das Problem der Kontrollübernahme nicht auf hochfrequente, großflächige Betriebstypen beschränkt.
  2. Opportunitätskosten: Versteckt sind in diesem Zusammenhang die Opportunitätskosten zu sehen: Umsatzrelevante Tätigkeiten (z.B. Beratung, Warenpräsentation, Warennachschub) können durch die Übernahme der 2G-Kontrollen nicht bzw. nur eingeschränkt ausgeführt werden. Aus diesem Grund macht Outsourcing der Kontrolltätigkeiten auf spezialisierte Dienstleister in großflächigen, hoch frequentierten Betriebstypen zwar vordergründig Sinn, um das bestehende Personal für ihre eigentlichen Aufgaben »frei zu spielen«, dem Händler entstehen dadurch jedoch wiederum zusätzliche Kosten.
  3. »Verlorenes« Ausgabenpotential: Abseits der oben angeführten Kosten für die 2G-Kontrollen bricht dem stationären Non-Food-Handel ein signifikantes Marktpotential weg. Aktuell können rund 20 Prozent der erwachsenen Bevölkerung (entspricht. rund 1,4 Mio. Personen) keinen gültigen 2G-Nachweis erbringen. Diese Konsumentengruppe vereint jedoch ein wöchentliches Ausgabenpotential von ungefähr 110 Millionen Euro im ladengebundenen Non-Food-Einzelhandel auf sich. Zudem sinkt auch für die »geimpfte« Bevölkerung die Attraktivität des stationären Einzelhandels durch die ständigen 2G-Kontrollen vor bzw. in jedem Non-Food-Geschäft.

Resümee: Mehrfache Belastung durch 2G-Kontrollen
»Die 2G-Kontrollen belasten den stationären Non-Food-Einzelhandel in mehrfacher Hinsicht. Erstens binden diese Corona-Maßnahmen Personalressourcen, die für Beratungs- und Verkaufstätigkeiten gebraucht werden (Opportunitätskosten). Zweitens entstehen – wenn die eigentliche Kundenbetreuung nicht vernachlässigt werden soll – zusätzliche Personalkosten. Und drittens schließen die 2G-Kontrollen eine signifikante Konsumentengruppe vom Einkauf aus«, fasst Christoph Teller vom Institut für Handel, Absatz und Marketing (IHaM) der Johannes Keppler Universität Linz (JKU) die aktuelle Mehrfachbelastung der betroffenen Handelsunternehmen zusammen.

„Die 2G-Regelung schließt rund 1,4 Mio. Konsumentinnen und Konsumenten vom Einkauf im Non-Food-Einzelhandel aus.“
Christoph Teller

»Die 2G-Regelung schließt aktuell rund 1,4 Mio. Konsumentinnen und Konsumenten mit einem wöchentlichen Ausgabenpotential von rund 100 Mio. Euro vom Einkauf im stationären Non-Food-Einzelhandel aus. Und wieder stellt sich die Frage: Wie viel kann davon in Zukunft aufgeholt werden und wie viel wandert weiter in Richtung (internationalen) Online-Handel ab? Klar ist, der ladengebundene Einzelhandel büßt durch die 2G-Kontrollen an Attraktivität ein und verliert weiter Umsätze bei gleichzeitig höheren Kosten«, ergänzt Ernst Gittenberger vom IHaM.

Methodik:
Die Berechnungen und Hochrechnungen des IHaM Institut für Handel, Absatz und Marketing der JKU Johannes Kepler Universität Linz basieren auf Daten von Statistik Austria und weiteren Sekundärdaten-Quellen (BMSGPK, etc.). Die Ergebnisse sind als Abschätzung zu verstehen.



Dieser Text erschien zuerst auf www.cash.at.

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