»Ich rechne nicht mit staatlicher Hilfe«
Raffaello Rossi
Tobias Schellenberger
Tobias Schellenberger

Tobias Schellenberger, Sprecher des fränkischen Hosenerzeuger Schera (Raffaello Rossi, Seductive), beschreibt Probleme und Maßnahmen der mittelständischen Industrie.

Was sind in Woche drei der Maßnahmen gegen Covid-19 die größten Probleme der Mode-Branche, die ja schon mehrfach auf die Auswirkungen der Krise, nämlich eine prognostizierte Insolvenz- und Schließungswelle auf sich aufmerksam gemacht hat?

Fangen wir mit dem Positiven an. Es gibt bei uns in der Firma und in unserem näheren Umfeld keinen einzigen Corona-Fall. Was die gesamte Branche betrifft, befinden wir tatsächlich vor tiefgreifenden Veränderungen. Wir stehen täglich im Austausch mit unseren Kunden und haben ab dem Zeitpunkt, ab dem die Geschäftsschließungen im Raum standen, keine Ware mehr verschickt. Auch haben wir allen Kunden, die davor Ware erhielten, eine Valuta von 60 Tagen eingeräumt.

Ist das Online-Geschäft für einen Hersteller jetzt nicht der Rettungsanker?

Wir haben keinen eigenen Online-Store, was in Zeiten wie diesen blöd ist. Aber wir bemühen uns sehr, mit unseren Partnern wie Breuninger, P&C oder Lodenfrey das Online-Marketing auszubauen. Ich denke, dass die Online-Umsätze bald insgesamt zurückgehen werden, weil die Menschen andere Sorgen haben, als sich neu einzukleiden. Wichtiger ist, dass wir als Marke weiterhin gesehen werden, dass wir mit unseren Kundinnen zumindest online in Kontakt bleiben.

Was raten Sie kleineren Kunden, Boutiquen etwa, die derzeit gar nichts verkaufen können?

Wir geben uns auch hier die größte Mühe, denn unser Unternehmen wäre nicht da, wo es jetzt ist ohne unsere kleineren Partner im Handel, die uns viele Jahre extrem unterstützt haben. Wir geben ihnen Tipps, wie sie weitermachen können, beispielsweise, wie sie via Whatsapp oder Videoanrufen verkaufen können – selbst wenn es nur ein paar Teile sind.

Aber auch Sie sind mit Stornos konfrontiert?

Klar. Das trifft uns genauso wie die Tatsache, dass ganz Italien dicht ist und wir keine Stoffmuster bekommen, um an der Kollektion für Frühjahr/Sommer 2021 zu arbeiten. Insgesamt sehen wir es als unsere Pflicht an, in den nächsten Monaten, wenn die Läden wieder öffnen werden, den Warendruck aus dem Handel zu nehmen, auch für die Saison Herbst/Winter 2020/21. Wenn wir das nicht schaffen, wird es im Handel zu Schleuderaktionen nie gekannten Ausmaßes kommen.

Alles reden von staatlicher Hilfe, auch ganz große Unternehmen brauchen offenbar rasch Geld…

Ich bin gespannt, wer jetzt aller »gerettet« wird. Ich rechne für unser Unternehmen jedenfalls nicht mit staatlicher Hilfe.

Wird bei Schera kurzgearbeitet?

Ja, in den meisten Abteilungen. Allerdings übernehmen wir die Differenz zwischen Kurzarbeitsgeld (Anm.: 60 % vom letzten Netto-Einkommen ohne bzw. 67 % mit Kind), so dass bei uns weiterhin jeder 100 % seines Einkommens verdient!

stats