Hygiene Austria : Lenzing beschuldigt Palmers...
Hygiene Austria

Lenzing beschuldigt Palmers - und umgekehrt

Picturedesk

Lenzing erhebt schwere Vorwürfe gegen Palmers im Maskenskandal: Der Joint-Venture-Partner würde eine Aufklärung der Vorwürfe verunmöglichen. Palmers-Chef Wieser stellt die Sache ganz anders dar.

Bei der Hygiene Austria, einem Joint Venture von Palmers und Lenzing, ist es jetzt wegen des Maskenskandals zum offenen Bruch zwischen den beiden Eigentümern gekommen. Der börsennotierte Faserhersteller Lenzing hat heute bekanntgegeben, seine beiden Geschäftsführer zurückzuziehen bzw. abzuberufen. Als Grund wird genannt, dass man keinen vollständigen Zugang zu wichtigen Unterlagen erhalten habe. Daher sei man außerstande, die operative Geschäftsführung weiter auszuüben.

Die zur Aufarbeitung der Vorgänge notwendigen Unterlagen befänden sich großteils in den Räumen von Palmers, zu denen Lenzing »weder Zutritt noch Zugriff« bekommen habe, schreibt Lenzing in einer Aussendung. »Trotz intensivstem Ressourceneinsatz seitens Lenzing war die dringend erforderliche rasche Aufklärung mit belastbaren Resultaten ebenso wenig möglich, wie die tatsächliche Ausübung der Geschäftsführung. Lenzing sieht daher die Aufarbeitung der aktuellen Vorwürfe bei den zuständigen Behörden. Dabei wird Lenzing nach besten Kräften unterstützen«, hieß es in der Aussendung von Montagnachmittag. Hygiene Austria hat den Firmensitz im Wiener Ares Tower an der Adresse der Palmers-Zentrale. Produziert wird am ehemaligen Palmers-Hauptsitz in Wiener Neudorf.

Geschäftsführer abberufen

Mit sofortiger Wirkung werde die Nominierung von Stephan Sielaff als neuen, zusätzlichen Geschäftsführer der Hygiene Austria zurückgezogen und der bisherige von Lenzing entsendete Geschäftsführer Stephan Trubrich werde abberufen. Ein ehest bald von Lenzing zu bestimmender Wirtschaftstreuhänder werde mit der Verwaltung der Lenzing-Anteile an Hygiene Austria betraut. Stephan Sielaff werde nunmehr auf Lenzing-Konzernebene für Hygiene Austria zuständig sein.

Die Replik von Palmers-Chef Tino Wieser

Tino Wieser, Geschäftsführer von Palmers gleichermaßen wie von Hygiene Austria, stellte die Sachlage in einem Interview mit der APA am Abend völlig anders dar. »Letzte Woche haben wir zusammen mit der Lenzing an der Aufklärung der ganzen Sache gearbeitet, auch das ganze Wochenende«, sagte Wieser zur APA. Lenzing sei mit 15 bis 20 Leuten vor Ort gewesen. »Von der Aufgabenaufteilung her war von Anfang an klar, dass die Lenzing die Produktion und die Materialbeschaffung plus Qualitätssicherung und Zertifikate macht«, so Wieser. Die Aufgaben von Palmers seien Verkauf, Marketing, Logistik und Buchhaltung gewesen. »Ich finde es einfach nicht in Ordnung, wenn sich ein Partner in dieser Zeit, salopp gesagt, ein bissl davonstiehlt.«
Die Begründung von Lenzing, wonach man keinen Zugang zu wichtigen Unterlangen erhalten habe, lässt Wieser nicht gelten. »Wissen Sie, was bei einer Hausdurchsuchung passiert? Die beschlagnahmen alles.« Es sei eben keine Einsicht in Unterlagen möglich, die bei der Staatsanwaltschaft seien.

Palmers will Lenzing-Anteile übernehmen

An der im Frühjahr 2020 zur Maskenproduktion gegründeten Hygiene Austria hält die Lenzing AG 50,1 Prozent, die Palmers Textil AG 49,9 Prozent. Nun wolle Palmers die Hygiene Austria ganz übernehmen. »Ich habe ein Übernahmeangebot gelegt, wir waren schon in Vertragsausarbeitung, es war für 14 Uhr heute der Notar bestellt«, sagte Wieser. Stattdessen habe es aber die überraschende Presseaussendung der Lenzing gegeben. Er sei nach wie vor an der Übernahme interessiert, aber »da muss man mit mir reden. Wenn der Mehrheitsgesellschafter nicht mehr mit dir redet, dann wird's ein bissl schwierig. Ich habe alle angerufen, es hebt keiner ab.«
Nach einer Unterbrechung am Wochenende habe man die Produktion wieder aufgenommen, berichtete Wieser. Man produziere jetzt eben vorerst auf Lager. »Die letzte Woche war jetzt nicht die umsatzstärkste, das muss man ganz klar sagen.« Die Qualität der Masken sei aber hervorragend, auch wenn geringe Mengen in China zugekauft worden seien. Das habe man am vergangenen Wochenende neuerlich überprüfen lassen.
»Ich bin der Meinung, dass ich nichts verbrochen habe«, sagte Wieser nun zur APA. »Ich war der Meinung, dass ein gewisser Anteil am Produkt ausreicht, um 'Made in Austria' draufzuschreiben.« Es handle sich um das gleiche Baumuster und das gleiche Material, und die zugekauften Masken »sind doppelt so teuer wie wenn man sie selber herstellt«.

Nur 15 % der Masken tatsächlich »Made in Austria«?

Schon zuvor hatte Hygiene Austria eingestanden, dass ein Teil der als »Made in Austria« vermarkteten Masken in China zugekauft wurde. Zuletzt wurden im »Standard« jedoch weit schwerwiegendere Vorwürfe erhoben. Unter Berufung auf die Ermittler wurde berichtet, es seien auf 17 in China produzierte Masken nur drei aus Österreich gekommen. Das würde einem Anteil von 15 % in Österreich produzierter Masken entsprechen.
Außerdem berichtet die Tageszeitung, die hygienischen Bedingungen seien schlecht gewesen, es habe Schwarzarbeiter gegeben und zumindest einmal sei ein schwerer Arbeitsunfall als Haushaltsunfall vertuscht worden. Die Zeitarbeitsfirmen, von denen die Mitarbeiter kamen, seien nicht Mitglied im Verband der Personaldienstleister gewesen.

Unlauterer Wettbewerb

Nachdem bekanntgeworden war, dass Hygiene Austria einen Teil seiner Masken in China hat fertigen lassen, haben die großen Handelsketten diese Masken aus dem Programm genommen. Im »Kurier« ist von möglichem unlauteren Wettbewerb in dem lukrativen Millionenbusiness die Rede, die Konkurrenz sieht den Wettbewerb massiv verzerrt. Mitbewerber, die Qualität »Made in Austria« angeboten hätten, fühlten sich betrogen.
»Wir produzieren in Graz, haben mit ehrlichen Preisen kalkuliert und keinen einzigen Bundesauftrag bekommen. Wenn ich jetzt höre, dass hier mit China-Masken agiert wurde, bekomme ich einen Grant«, wird Dominik Holzner vom Maskenhersteller Aventrium im »Kurier« zitiert.



stats