Corona-Hilfspaket: Hilfsmaßnahmen kommen imm...
Corona-Hilfspaket

Hilfsmaßnahmen kommen immer noch nicht an

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Besonders stark ist der Modehandel in den Tourismusregionen betroffen, wie etwa in Kitzbühel (Bild).
Besonders stark ist der Modehandel in den Tourismusregionen betroffen, wie etwa in Kitzbühel (Bild).

Die freien Verbände, darunter der Handelsverband, warnen vor einer Abwärtsspirale. Für zwei Drittel der Betriebe gehen die Hilfsmaßnahmen der Regierung an der unternehmerischen Praxis vorbei.

Österreichische Hoteliervereinigung, Handelsverband, Gewerbeverein, Senat der Wirtschaft und das Forum EPU haben ihre Mitglieder nach den wirtschaftlichen Auswirkungen von Covid-19 auf Umsätze und Investitionen sowie die Zufriedenheit mit den Maßnahmenpaketen der Bundesregierung befragt. An der Befragung nahmen 650 Unternehmen aus ganz Österreich teil, zum überwiegenden Teil EPU und KMU.

»Maßnahmen gehen weit an der Praxis vorbei«

Die Ergebnisse fallen je nach Branche unterschiedlich aus, was die Dimension der umsatz- und Investitionsrückgänge angeht. »Relativ einig sind sich die Unternehmen bei der Bewertung der Hilfsmaßnahmen durch die Bundesregierung«, berichtet Stephan Blahut, Generalsekretär des Gewerbevereins: »Diese Maßnahmen gehen weit an der Praxis vorbei.«

33 % sagen, die Maßnahmen der Bundesregierung »helfen nicht«
26 % geben an, dass die Maßnahmen nur »helfen, wenn endlich Geld kommt«
8 % finden die Maßnahmen für die jeweilige Branche nicht passend
26 % meinen, dass die Maßnahmen »etwas helfen«
4 % bewerten die Maßnahmen als »sehr hilfreich«
3 % brauchen keine Hilfe

Umsatzerwartung im Keller, Investitionen gestoppt

Der auf die Maßnahmen zur Bekämpfung von Covid-19 zurückzuführende bisherige Umsatzrückgang wurde im Mittel mit 73 % gegenüber dem Vorjahr beziffert. Für das Gesamtjahr 2020 wird ein Umsatzrückgang von durchschnittlich 44 % erwartet.

Ursprünglich für 2020 geplante Investitionen werden deshalb – und aufgrund der Planungsunsicherheit sowie ausbleibender Krisenhilfen – verschoben oder gestrichen. Die aufgeschobenen Investitionen beziffern die Unternehmen mit durchschnittlich 354.000 Euro oder 77 % des ursprünglich geplanten Investitionsvolumens. »Besonders alarmierend: 2021 fällt der Investitionsrückgang noch schlimmer aus und liegt bei 467.000 Euro«, so Blahut, der deshalb fordert: »Der versprochene Schutzschirm muss endlich aufgespannt werden.«

Wertschöpfungsturbo Tourismus besonders betroffen

Die Hotellerie, die auch für den Modehandel ein wichtiger Umsatzbringer ist, sieht sich erst am Beginn eines langen Weges durch ein finsteres Tal. »An seinem Ende werden weniger regionale Leitbetriebe, Investitionen und Beschäftigte stehen«, warnt Michaela Reitterer, Präsidentin der Österreichischen Hoteliervereinigung: »Nach Lehman hat es zehn Jahre gedauert, bis wir die Umsatzrückgänge aufgeholt haben – und das war nichts gegen Corona.« Hotels verzeichneten laut der Umfrage bisher im Schnitt einen Umsatzrückgang um 929.000 Euro, fahren die Investitionen heuer um durchschnittlich 784.000 Euro zurück und nächstes Jahr um 950.000 Euro: »Unsere Ausgabenrückgänge sind die Einnahmenrückgänge des Gewerbes. Fehlen uns Gäste, fehlen dem Handel Kunden. Wollen wir da wie dort Arbeitsplätze retten, und das muss die Politik wohl, braucht es effektivere Maßnahmen als bisher«, warnt Michaela Reitterer vor einem Dominoeffekt über die Branchengrenzen hinweg.

Handel fordert sofortige Struktur- und Steuerreform

Handelsverband-Präsident Stephan Mayer-Heinisch bestätigt Reitterers Aussagen: »Die Händler in der Innenstadt, die großteils vom Tourismus abhängig sind, schwitzen Blut.« Auch in Regionen mit hohem internationalen Tourismusanteil, etwa Zell am See, sehe es zappenduster aus. Im Schnitt rechnet der Handel bis Jahresende mit Umsatzeinbußen von 32 %, »am stärksten leiden Mode, Schuhe und Accessoires«, bestätigt Stephan Mayer-Heinisch. Die Investitionen werden deshalb heuer um zwei Drittel zurückgefahren, nächstes Jahr in ähnlichem Ausmaß. »Wir haben mittlerweile mehr als 550.000 Arbeitslose und 1,3 Millionen Menschen in Kurzarbeit. Nachdem die Kriseninstrumente die Firmen nur langsam erreichen, muss die Kaufkraft der Bevölkerung gestärkt werden. Ein Vorziehen der bereits paktierten Steuerreform sowie die Ausgabe von 500 Euro-Schecks an alle Personen mit einem Jahreseinkommen unter 11.000 Euro sind dafür entscheidend«, sagt der Handelsverband-Präsident. »Wir fordern kurzfristige, saftige, kräftige Konsumstimuli.«

Zentrale Forderung: Eigenkapital zuführen

Hans Harrer, Vorstandsvorsitzender des Senats der Wirtschaft – einem freiwilligen Verband mit 600 Mitgliedern aus Industrie, Handel, Gewerbe und Dienstleistung – appelliert an die Bundesregierung, das Feedback aus den Unternehmen ernst zu nehmen um rasch gegenzusteuern und Schlimmeres zu verhindern: »Die Betriebe mit Kurzarbeit sind spätestens im Herbst so weit, dass sie kündigen müssen. Wir müssen alles daran setzen, eine Negativspirale aus Arbeitslosigkeit, Investitions- und Konsumrückgang bis hin zum Zulauf zu den politischen Rändern zu verhindern.« Die staatlichen Hilfsmaßnahmen seien gut gemeint, die Anstrengungen in Ministerien, Banken, AMS & Co. fruchten aber nicht ausreichend.

Aus den Rückmeldungen der Unternehmen über alle Branchengrenzen hinweg laute die zentrale politische Forderung deshalb: »Den Unternehmen muss jetzt Eigenkapital zugeführt werden, damit sie diese Krise durchstehen können. Mit Steuerstundungen und Krediten verschulden sich die Betriebe noch mehr. Da brauchen wir uns nichts vormachen. Das verschleppt das Problem nur nach hinten und wird in den Kollaps führen.« Geschehen könne das etwa über einen Stabilisierungsfonds, der von den Banken Kredite übernimmt und in Eigenkapital umwandelt. Diese Anteile könnten dann in Form eines stillen Gesellschafter-Anteils auf zeitlich begrenzte Zeit gehalten werden.

Die weiteren Forderungen

Steuerreform vorziehen: Eine merkliche und nachhaltige Stimulation der Nachfrage durch die bereits paktierte Senkung der Lohn- und Einkommenssteuer muss noch vor Beginn des Sommers umgesetzt werden.

Kammer-Reserven auflösen: »Wie die Unternehmer es vorgezeigt haben, müssen auch die Kammern und der Staat alle Reserven lockermachen, um den Betrieben in Not zu Hilfe zu kommen«, sagt Harrer. »Wir gehen davon aus, dass auch die Wirtschaftskammern ihre Rücklagen zugunsten der hart betroffenen Unternehmen zurückgeben sollten. 1,4 Mrd. Euro an Kammerrücklagen von den Unternehmen sind genau für derartige Krisenfälle für Unternehmen da.«

Freie Verbände hören: Die Umfrage unter den Mitgliedsunternehmen der freien Unternehmerverbände zeige, wie wichtig es sei, diese stärker einzubeziehen. »Dies ist in der Krise bislang unzureichend erfolgt und hat insbesondere beim Härtefallfonds existenzielle Probleme der Betroffenen bis zum heutigen Tage verschärft«, so Harrer. »Beim Abwickeln der Fördermaßnahmen ist man der Bürokratie auf den Leim gegangen. Man braucht nur in unser Nachbarland Schweiz schauen, dort hat das viel schneller und unkomplizierter geklappt.«

Stephan Blahut, Generalsekretär Österreichischer Gewerbeverein, gibt Harrer recht: »Das wichtigste ist, es einfacher zu machen. Viele Betriebe werden immer noch hängen gelassen.« Und, abschließend:  »Wenn wir nicht in eine Insolvenzwelle und eine sehr hohe Arbeitslosigkeit hineinrutschen wollen, müssen wir diese Herausforderung gemeinsam bewältigen. Wir reichen der Bundesregierung die Hand, mit uns zu gehen.«

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