Handel: »Wir haben uns alle nach ,Out-of-Home...
Handel

»Wir haben uns alle nach ,Out-of-Home‘ gesehnt«

Simon Kupferschmied/Gewista
V.l.: Daniela Dalla Casa, Liu Jo, Nico Heinemann, Steffl, Andrea Groh, Gewista, Sabrina Mitterbauer, Calzedonia, und Brigitte Pfeifer-Medlin, ÖTZ
V.l.: Daniela Dalla Casa, Liu Jo, Nico Heinemann, Steffl, Andrea Groh, Gewista, Sabrina Mitterbauer, Calzedonia, und Brigitte Pfeifer-Medlin, ÖTZ

Gewista und die ÖTZ luden zu einem Roundtable ins Sky Restaurant im Kaufhaus Steffl. Die Themen: Wie kommt der heimische Modehandel durch die Krise? Und: wie holt man seine Kunden zurück?

Schöner kann der Blick über die Wiener Innenstadt kaum sein. Das Sky Restaurant des Kaufhauses Steffl (vor kurzem um eine atemberaubend schöne Dachterrasse erweitert) bildete den Rahmen einer Diskussion über Mode, Medien und das Einkaufsverhalten in Zeiten von Corona. Das Panel, bestehend aus Sabrina Mitterbauer (PR & Communication Manager Calzedonia Österreich GmbH), Daniela Dalla Casa ( Liu Jo, Wien), Andrea Groh (CSO Gewista) und Nico Heinemann (seit Anfang des Jahres Geschäftsführer im Kaufhaus Steffl), diskutierte über die Ereignisse der letzten Monate, über Innenstädte (fast) ohne Touristen und über Strategien gegen Kaufunlust.

Starten wir mit Ihren Erfahrungen nach dem Lockdown. Was hat sich seither getan? Kann man schon von Normalität im Handel sprechen?

Daniella Della Casa: Wir haben mit Liu Jo unmittelbar nach dem Lockdown geöffnet und ganz ehrlich: Das hätten wir uns sparen können. Die Wiener Innenstadt funktioniert einfach nicht ohne Gastronomie.

Sabrina Mitterbauer: Das kann ich nur bestätigen. Wir haben viele unsere Filialen aufgesperrt, da die meisten über Flächen unter 400 m² verfügen. Am Land hat das ganz gut funktioniert, auf der Kärntner Straße beispielsweise gab es so gut wie keine Frequenz. Erst nach ein paar Wochen hat sich die Frequenz wieder einigermaßen stabilisiert. Dabei zeigten die Marken ganz unterschiedliche Performance. Bei Calzedonia erlebten wir einen Einbruch, während sich Intimissimi gut entwickelte. Wäsche wird zum Glück immer gebraucht.

Nico Heinemann: Wir starteten toll ins neue Jahr, hatten in den ersten beiden Monaten zweistellige Umsatzzuwächse. Am 2. Mai ging es wieder los mit Masken und wenig Frequenz. Manche jungen Kundinnen wollten sich nach dem Lockdown etwas Gutes tun und kauften bei unseren progressiven Labels ein. Mehrheitlich fand aber das klassische Bedarfsgeschäft statt. Wenn in einem Haus wie dem unseren 60 % der Umsätze von Touristen getätigt werden, muss man in der jetzigen Situation komplett umdenken. Wir haben ganz klar auf noch intensivere Kundenbindung unserer Stammkunden gesetzt – und wieder für Frequenz und Umsatz gesorgt.

Daniela Della Casa: Enger Kontakt mit den eigenen Kunden ist aktuell bestimmt wichtiger denn je. Wir haben alle unsere Kunden angerufen und auf die neue Ware hingewiesen. Nach ein paar Wochen hat das super funktioniert, obwohl unsere Fancy-Kollektion ja eigentlich auf Partys, Feste oder die Club-Szene abzielt. Und plötzlich gibt es das alles nicht.

Sabrina Mitterbauer: Grundsätzlich geht es seit dem Lockdown jedenfalls konsequent bergauf, daher haben wir uns auch entschlossen, mit unseren Marken wieder in die Werbung zu gehen. Für uns spielen jetzt vor allem soziale Medien und die Außenwerbung zentrale Rollen.

 

Warum gerade Außenwerbung?

Sabrina Mitterbauer: Nach vielen Wochen, in denen es immer nur »Stay-at-home« hieß, sehnten sich die Konsumenten nach positiven Reizen »out-of-home«. Plakate oder City-Lights haben das Zeug dazu, gute Stimmung zu verbreiten, weil man flächendeckend und im öffentlichen Raum mit tollen Bildern werben kann.

Für ein Unternehmen, das von Werbung im öffentlich Raum lebt, muss der Lockdown ein echter Schock sein…

Andrea Groh: Natürlich waren die Wochen des Stillstands hart für uns. Aber kaum durften die Läden wieder aufsperren, zog unser Geschäft wieder an. Den Start bildeten die Baumärkte, dann starteten auch die Lifestyle-Branchen wieder mit ihren Out-of-home-Kampagnen. Klar, alles was im Lockdown nicht gebucht wurde, ist schwer wieder aufzuholen. Jetzt spüren wir aber wieder den Mut der Unternehmen zu investieren, um ein Lebensgefühl, das man mit einer Marke verbindet, plakativ zu transportieren.

Wie äußert sich dieser Mut im Steffl?

Nico Heinemann: Wir haben erst vor wenigen Tagen diese tolle Terrasse eröffnet, am 2. Oktober werden wir unsere neue Sportfläche in der 4. Etage einweihen. Insgesamt werden wir in den nächsten Monaten unsere Kunden mit Pop-up-Flächen überraschen, auf denen wir wirklich Außergewöhnliches zeigen werden. Zu Beginn der Krise gab es die leise Hoffnung, dass wir einen normalen Herbst mit Touristen erleben könnten. Die jetzigen Infektionszahlen zeigen aber in eine andere Richtung. Wir werden uns also auf wenige Touristen und ein starkes Geschäft mit heimischen Kunden konzentrieren. Dazu gehört jedenfalls, dass wir unsere Abteilungen bedarfsgerechter bestücken. Nur ein Beispiel: Die spätsommerlichen Temperaturen in der ersten Septemberhälfte haben die vielen Daunenjacken nicht gerechtfertigt, die überall zu sehen waren.

Manche Hersteller boten in den letzten Wochen digitale Showrooms an. Wird auch das nach der Krise bleiben?

Daniela Della Casa: Nein, das hoffe ich nicht. Die digitale Order ist eine Notlösung gewesen, Händler und Einkäufer wollen und müssen in die Ware reingreifen.

Gilt das auch für Modeschauen? Viele Anbieter zeigen ja nur noch im Netz…

Sabrina Mitterbauer: Wir machen mit unseren Marken jedes Jahr eine tolle Show in Verona, die heuer natürlich ausfiel. Die Stimmung, die Emotion, die sie mit einer Show erzielen, kann man digital niemals erzeugen. Klar wird die Branche manche Shows streichen. Aber ganz ohne Shows geht es nicht.

Andrea Groh: Die letzten Monate haben uns ja deutlich vor Augen geführt, dass wir soziale Wesen sind. Darum bieten wir eine Reihe Werbeformen an, um die Außenwerbungskampagnen mit sozialen Netzwerken zu verlinken und so die Kampagnen zu erweitern. Unsere Out-of-Home-Medien schaffen Relevanz und können ein idealer Multiplikator von Werbebotschaften sein. Wir wissen aus zahlreichen Studien, dass Out-of-Home oftmals den letzten Impuls vor dem Kauf am POS oder im Web steht.

Sabrina Mitterbauer: Ich bin überzeugt, dass es immer mehr darum gehen wird, Geschichten zu erzählen und den Kunden auf ganz unterschiedliche Arten zu erreichen.

Nico Heinemann: Wir arbeiten seit vielen Jahren auf sozialen Kanälen und wünschen uns für die Zukunft, dass unser Ansatz noch breiter wird. Wir werden unsere Brand Areas ausbauen und unterschiedlich Bereiche miteinander vernetzen. Aber hier, auf unserer neuen Dachterrasse Yoga-Kurse abzuhalten, das hat doch auch Fantasie.

Letzte Frage: Was erwarten Sie für den Herbst?

Nico Heinemann: Die Hoffnung lebt, dass wir ein einigermaßen normales Herbstgeschäft erleben werden. An Freitagen und Samstagen liegen wir derzeit mit unseren Umsätzen über dem Vorjahr! Es geht also bergauf.

stats