Dachmarkenforum: Gegen die Klimakrise ist Co...
Dachmarkenforum

Gegen die Klimakrise ist Corona ein Kinderspiel

Roland Berger
Richard Federowski, Partner bei der Unternehmensberatung Roland Berger
Richard Federowski, Partner bei der Unternehmensberatung Roland Berger

Bei der Bewältigung der Coronakrise muss Nachhaltigkeit an vorderster Stelle stehen. Noch sind viele Unternehmen dafür nicht gut aufgestellt, hieß es beim ersten digitalen Dachmarkenforum. Starke Marken haben jetzt eine riesige Chance.

Das erste digitale Dachmarkenforum – digital natürlich der Corona-Krise geschuldet – zum Thema »Nachhaltigkeit 4.0« ging mit starker Beteiligung namhafter deutscher Modespezialisten über die Bühne. Moderiert von Maks Giordano, blieben keine Zweifel offen. Philipp Beck, CEO von Atelier 522, zitiert Winston Churhill, britischer Premierminister im Zweiten Weltkrieg: »Vergeudet mir die Krise nicht!« Denn während die Unternehmen jetzt damit beschäftigt sind, darüber nachzudenken, wie sie ihre Firmen wieder zum Laufen bringen sollen, müssten sie eigentlich etwas ganz anderes tun: sich die Frage nach der Nachhaltigkeit ihres Geschäftsmodells stellen, wie es Richard Federowski, Partner bei der Unternehmensberatung Roland Berger, formuliert und noch ein Schäuferl nachlegt: »Ist eine EBIT-Marge von 10 % nachhaltig?« Nachhaltigkeit ist eben nicht nur ökologisch zu sehen: »Wie lange wird es dauern, bis die Frequenz in den Innenstädten wieder passt?«

Müllvermeidung und Recycling

Für Beck ist es klar, dass die Rückkehr zur Normalität nicht das »Normale von vor der Krise« sein kann. Nachhaltigkeit ist kein Nischenthema mehr, sondern eine unternehmerische Notwendigkeit, meint Federowski. Wer den Weg gehen möchte, muss sich »Wissen aneignen, Ziele setzen und aktiv steuern«, sagt der Berater. Denn die Nachhaltigkeit hat viele Facetten: zum Beispiel Transparenz. Paradebeispiel dafür ist die US-Modemarke Everlane, die den Kunden wissen lässt, wieviel Dollar von den 79 im Verkauf auf Material, Arbeitsleistung, Logistik, Marketing etc. entfallen. Bei der Schuhmarke »Plant a Tree« wird für jeden verkauften Schuh ein Baum gepflanzt, immerhin schon 1,8 Millionen Bäume weltweit. Adidas versucht es mit Recycling-Produkten und befreit die Ozeane vom Plastikmüll.

Müllvermeidung ist das nächste Stichwort: Moritz Rose, Industriedesigner (IXDS Design) ist überzeugt, dass »Planet-centered« die neue Kundenzentriertheit sein wird. Sein ehemaliger Arbeitgeber, die Heiztechnik Viessmann, ein Familienunternehmen mit 2,5 Mrd. Euro Umsatz, hat den C02-Ausstoß um 80 % reduziert, das Gelände mit schnellwachsenden Pappeln umpflanzt und sorgt dafür, dass Messestände nicht am Müll landen, sondern zu 80 % wiederverwertet werden. »Solche Aktivitäten sind in einem börsennotierten Unternehmen nicht möglich, denn sie rechnen sich nicht bis zum nächsten Quartalsabschluss.« Rose ist überzeugt, dass viele Unternehmen noch gar nicht richtig aufgestellt sind, um nachhaltige Projekte zu verfolgen. Auch seien viele Produkte falsch konzipiert, so dass sie zwangsläufig auf dem Müll landen.

Ein anderes nachhaltiges Projekt: Eine Autowachsstraße erkennt mit Hilfe künstlicher Intelligenz den Verschmutzungsgrad des Autos und wählt das entsprechende Programm. So spart man Wasser und Waschmittel und der Kunde Geld. Im Testlauf befindet sich gerade ein KI-Projekt, wo die Kasse mit einer Kamera die Gebäcksorten erkennt und selbständig den Preis errechnet. „Das wäre sicher auch für andere Branchen einsetzbar“, erklärt Rose.

Covid-19 beschleunigt Digitalisierung

Für Federowski steht außer Frage, dass Covid-19 als Booster für bestimmte Themen gewirkt hat: für die Digitalisierung, das sinnhafte Konsumieren – und für Marken, die sichtbar geblieben sind, die den Ton angeben, von denen man weiß, wofür sie stehen. Nachhaltigkeit bedeutet auch Risikomanagement, Innovationskraft und Anpassungsfähigkeit. »Die stabile Umsatzentwicklung der Bio-Produkte im Lebensmittelhandel hat gezeigt, dass Nachhaltigkeit auch krisenfest ist«, sagt Federowski. Und er rät allen Unternehmen – nicht nur den Modespezialisten – sich »Zeit zu nehmen, sich mit all diesen Themen ernsthaft auseinanderzusetzen«. Philipp Beck macht es noch deutlicher: »Wir müssen uns fragen, welches Verhalten war schädlich, denn wenn wir die Klimakrise nicht ernst nehmen, dann wird Corona im Nachhinein wie ein Kinderspiel aussehen.«

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