Die Österreicher haben während der Lockdowns durchaus positive Erfahrungen mit dem E-Commerce gemacht. Ein Viertel der Befragten hat im Vorjahr jedoch weder online noch im Laden Bekleidung eingekauft.
Die Corona-Pandemie hat das Einkaufsverhalten maßgeblich verändert. Und das wird wohl auch nachhaltig so bleiben. Das Einkaufen wird von der Mehrheit der Kunden Corona-bedingt als weniger angenehm als zu normalen Zeiten empfunden. Die Schutzmaßnahmen verursachen Stress und vor allem für Ältere ist die Angst, sich beim Einkaufen mit der Krankheit anzustecken, trotz Masken- und Abstandspflicht durchaus präsent. Das zeigt eine aktuelle Gallup-Umfrage, die der Textilzeitung exklusiv vorliegt.
Gute Erfahrungen mit Online-Shopping
Dem Online-Shopping hat Corona einen wahren Boost verliehen – vor allem durch die langen Phasen der Lockdowns: Sagten 2015 erst 21 % der Bevölkerung, sie würden Bekleidung (Textilien, Kleider, Wäsche, Schuhe) zumindest teilweise online kaufen, waren dies 2018 bereits 31 % und 2020 sogar 37 %. Im Branchenvergleich liegt die Bekleidung damit einsam an der Spitze, weit vor von Büchern (22 %) und Parfümerie-/Drogeriewaren (19 %). »Die Krise diente gewissermaßen als Lehrmeister für das Online-Shopping«, erklärt Michael Nitsche, CEO des Österreichischen Gallup Instituts. »Viele haben während der Lockdowns erstmals im E-Commerce eingekauft und dabei gute Erfahrungen gemacht. Nun ist selbst bei der Generation 50+ jeder Fünfte darauf eingestellt, künftig mehr im Internet zu shoppen.«
Gaben 2015 noch drei von vier Österreicherinnen und Österreichern (76 %) an, innerhalb der letzten 12 Monate Bekleidung in einem stationären Geschäft eingekauft zu haben, taten dies 2020 nur noch zwei von drei (67 %). Interessant: Jeder Vierte hat im Corona-Jahr gar nichts aus dem Bereich Bekleidung oder Schuhe eingekauft – also weder stationär noch online.
Geschäft oder Online? Sowohl als auch!
Von jenen Befragten, die nicht zu diesen totalen Konsumverweigerern gehören, ist wiederum genau die Hälfte nach wie vor ausschließlich dem stationären Handel treu: 50 % kauften ausschließlich stationär. Nur Online shoppten lediglich 11 %, während 39 % ihren Bedarf an Kleidern und Schuhen sowohl online als auch im Geschäft deckten.
»Für eine große Gruppe der Kundinnen und Kunden sind online und offline also kein Widerspruch«, meint Nitsche. »Sie sagen, dass Einkaufen im Geschäft und Online-Shoppen sich ideal ergänzen und beides wichtig sei. Bei den Unter-30-Jährigen ist das am stärksten ausgeprägt.«
Sporthandel
Interessant ist der Vergleich mit dem Sporthandel: Auch hier nimmt die Zahl der Online-Käufer mittelfristig zu und jene der stationären Käufer ab. Doch im Vergleich zwischen 2018 und 2020 ist die Zahl der Stationärkäufer wieder leicht gewachsen – offensichtlich dem Trend zu vermehrter Bewegung im Freien während der Lockdown-Phasen geschuldet. Trotzdem hat nur eine Minderheit der Befragten (35 %) überhaupt in den letzten 12 Monaten Sportartikel eingekauft. Im Vergleich zur Modebranche gibt es im Sportbereich auch mehr »Online only«-Käufer, nämlich 24 %. 26 % haben sowohl online als auch stationär Sportartikel gekauft, 50 % ausschließlich im Laden.
„Mehr als 90 % der Online-Erstkäufer sagen, dass ihre Erwartungen erfüllt wurden. Bei 50 % wurden sie sogar übertroffen.“
Michael Nitsche, CEO Österreichisches Gallup Institut
Gründe für den Online-Kauf
Und warum wird online gekauft? Jeder dritte der Befragten Online-Shopper (34 %) gab an, nur wegen der Corona-Krise Mode im Internet eingekauft zu haben. Weitere 37 % sagten, sie hätten unter den aktuellen Umständen einfach keine Lust, Shoppen zu gehen. Mittelfristig weniger wichtig im E-Commerce wird das Preis-Argument: Nannten 2015 noch 65 % günstigere Preise als wichtigen Grund für den Online-Kauf, waren es 2020 nur noch 60 %.
An Wichtigkeit gewinnt hingegen die Bequemlichkeit der Lieferung nach Hause (2015: 58 %; 2020: 66 %) und die Breite des Angebots (46 % vs. 50 %). Als Nachteile werden am öftesten die Versandkosten (68 %), die fehlende Möglichkeit zur persönlichen Beratung (67 %) und die Registrierprozesse bzw. Datenherausgabe (66 %) genannt.
Stationär punkten mit Service und Atmosphäre
Stationär werden Warenverfügbarkeit, Beratung und die Einkaufsatmosphäre immer wichtiger. »Die Mühe und Kosten der Anfahrt sind eine ernstzunehmende Investition des Kunden, die vom Handel honoriert werden müssen«, sagt Dr. Anton Salesny vom Institut für Marketing und Handel der WU Wien, Co-Autor der Studie. »Qualifiziertes und motiviertes Personal zu haben wird im stationären Handel deshalb immer wichtiger.«
Der E-Commerce werde aus Sicht der Konsumenten nie den stationären Handel verdrängen, fährt Salesny fort. »Zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher stimmen zu, dass Shoppen etwas ist, das Freude macht und eine willkommene Abwechslung im Alltag ist. Die Menschen brauchen den persönlichen Kontakt und das Flanieren und Gustieren. Nur ein knappes Viertel glaubt, dass mittel- bis langfristig das Online-Shoppen den Einkauf im stationären Geschäft weitgehend verdrängen wird.
Allerdings sagen deutlich mehr als die Hälfte der ÖsterreicherInnen (57 %), dass sie während der Lockdowns schon auch gemerkt haben, wie wenig sie eigentlich wirklich benötigen. Es wurde ihnen noch mehr bewusst, dass man manchmal auch aus Langeweile einkaufen geht und man viele Dinge gar nicht braucht.«
„Der E-Commerce wird aus Sicht der Konsumenten nie den stationären Handel verdrängen. Zwei Drittel der Österreicherinnen und Österreicher stimmen zu, dass Shoppen etwas ist, das Freude macht und eine willkommene Abwechslung im Alltag ist.“
Dr. Anton Salesny, Institut für Marketing und Handel der WU Wien
Bewusster Einkaufen: Authentizität als neue Chance
Generell gibt ein gutes Viertel (26 %) der Bevölkerung an, dass es in Zukunft bewusster einkaufen und konsumieren wird. »Neben Regionalität gibt es bei den Konsumentinnen und Konsumenten eine ausgeprägte Sehnsucht nach Authentizität, nach dem Individuellen, dem echten Leben«, verdeutlicht Nitsche. »Der Konsument wird sich in Zukunft immer weniger durch oberflächliche Scheinwelten beeindrucken lassen. Das bedeutet auch für den Handel, dass Ehrlichkeit und Aufrichtigkeit wichtiger werden, dass man dem Konsumenten deutlicher veranschaulichen muss, welchen Beitrag man als Händler für die Gesellschaft leistet. Wie wichtig der Handel für unser tägliches Leben ist, wurde vielen Menschen in den Lockdowns noch bewusster.«
Dem stationären Handel wird nicht nur eine wichtige Rolle bei der Schaffung von Arbeitsplätzen (68 % Zustimmung) zugesprochen, sondern auch bei der Entwicklung der österreichischen Städte und Regionen (64 %). Er trägt aus Sicht der Österreicherinnen und Österreicher zur Lebensqualität bei (45 %) und ist für die Mehrheit ein wichtiger Wirtschaftsfaktor (53 %). »Da kann der Online-Handel in seiner gesellschaftlichen Bedeutung (noch) nicht mithalten«, schließt Gallup-Geschäftsführer Nitsche.