Erfeulich robust stellt sich die Trachtenbranche gegen die Krise. Und stellt ihre neuen Kollektionen optimal auf die Post-Corona-Zeit ab. Individualismus, Nachhaltigkeit und der Bruch mit Uniformität sollen das Segment lebendig halten
Es könnte alles so einfach sein: die Trachtenbranche bringt fast alles mit, was Konsumenten derzeit von Mode fordern. Sie ist nachhaltig, weil sie jahrelang tragbar bleibt. Die wird zumeist in Europa unter fairen Arbeitsbedingungen hergestellt. Sie hält sich an hohe Qualitätsstandards - und kann mittlerweile auch in puncto Bequemlichkeit mit vielen Premium-Brands mithalten. Leider war in den letzten Jahren das Tragen von Tracht untrennbar mit einem Trageanlass verknüpft, da war es vollkommen klar, dass der Komplettausfall von Volksfesten, Trachtenhochzeiten oder Kirtagen mit einem Einbruch des Marktes einher gehen muss. Zum Sommer 2022 stellt sich die Branche auf diese Situation ein: nicht mit einem radikalen Schnitt, sondern mit großen Bemühungen in Richtung Alltagstauglichkeit und Rund-um-die-Uhr-Tragbarkeit. Wie das geht? Dirndl sind minimalistischer als zuletzt, viele kommen ohne Schürze aus, wer auch noch auf die Bluse verzichten will, ersetzt das Dirndl komplett durch leicht schwingende Sommerkleider oder eine Kombi aus Shirt und Rock. Kleine Jäckchen (stets mit hohem Stretchanteil) kommen mit einigen Trachtendetails aus und passen zur Jeans genauso wie übers Kleine Schwarze. Wem sogar das noch zu anlassbezogen ist: lässige Strick-Hoddies mit Zopfmuster und kleinen Blümchen-Stickereien sind der ideale Begleiter an kühlen Sommerabenden. Einzeilteilig, abgeräumt und mit einem Hauch von Romantik (Blüten und Blumen sind das zentrale Thema) kommt die Tracht diesmal daher, gefragt sind Brüche bekannter Styles, um neue, individuelle Looks zu kreieren und mit der Mode zu mixen.
Shirt als Alternative zum Pfoad
Lässigkeit gibt auch in der Herrentracht den Ton an. Da ist nichts mehr genagelt oder steif, lässig fallende Janker, lose Strickteile sowie tonige Gilets in erdigen Farben oder sommerlichen Neutrals läuten eine neue Ära ein. Sakkos erinnern an die in der Herrenmode angesagten Overshirts, Polo-Shirts ersetzen oftmals das klassische Trachtenhemd, das immer öfter oversized getragen wird. Die Hosen meist verkürzt, Kurzarm-Shirt und Gilet: die jungen Herrentracht lässt sich an stylistischen Details erkennen, die Looks wirken modisch und modern. Bei der Lederhose bleibt man dem Handwerk und damit der Tradition verbunden. Die neuen Hirschenen sind allerdings noch weicher und etwas kürzer als zuletzt (glaubt man doch auch in der Mode an das ganz große Bermuda-Comeback).
Klar wird es wieder Trachtenanlässe geben, hier besinnen sich die Hersteller edler Materialien wie Samt, Seide oder Jacquards, oftmals werden Drucke im Partnerlook angeboten. Aber auch die festliche Tracht gibt sich minimalistischer als zuletzt. Tonige Farbkombination, schlichte Schürzen beim Dirndl und Uni-Seidenwesten zeigen den Trend zur neuen, edlen Einfachheit.