Die Österreicher haben im Lockdown ihre sportliche Seite entdeckt, der fehlende Wintertourismus trifft den Sporthandel jedoch hart. Die Textilzeitung hat mit Sport-2000-Vorstand Holger Schwarting über die aktuelle Situation, Online-Strategien, Trends und Pläne gesprochen.
Herr Schwarting, wie sieht Ihre Bilanz über das Jahr 2020 aus?
Wir können das vergangene Jahr in mehrere Segmente unterteilen. Bis Mitte März verzeichneten wir in Summe einen guten Winter und konnten in den Skigebieten eine wirklich gute Bilanz vorweisen. Die Saison fand aber mit dem Lockdown ein abruptes Ende. Das traf vor allem die Tourismushändler im Westen Österreichs.
...die das Ganze mit dem aktuellen Lockdown gleich zweifach trifft.
Ja, und das hat Folgen für die ganze Branche. Der Alpin-Ski zum Beispiel verkauft sich zurzeit gar nicht. Das heißt, dass die Händler nächsten Winter kaum etwas einkaufen werden, was wiederum die Zulieferer massiv treffen wird. Die Stadt-Land-Händler hatten es besser und wurden direkt überrascht, wie stark sich die Österreicher direkt nach dem Lockdown für Sport interessiert haben. Dadurch konnten wir die Umsätze, die wir im Lockdown verloren haben, bis zum September wieder aufholen und waren sogar leicht über dem Vorjahr. Der zweite Lockdown hat dann wieder wehgetan, da er unter anderem das Weihnachtsgeschäft gebremst hat. Alles in allem gehen wir davon aus, dass Sport 2000 im Jahr 2020 bestenfalls plus/minus Null im Vergleich zum Vorjahr aussteigen wird – eher leicht rückläufig. Dabei täuschen aber auch unsere neu aufgenommenen Mitglieder und Händler ein wenig über den Umsatzverlust bei bestehenden Händlern hinweg.
Sie haben 2020 besonders im Online-Bereich nachgeschärft, ein Bereich, der das Jahr über boomte. Für Sie scheint sich das aber noch nicht so in den Zahlen niederzuschlagen?
Nein. Online ist bei uns zwar um mehrere 100 Prozent gewachsen, allerdings auf niedrigem Niveau – das fällt nicht sehr ins Gewicht. Einzelne Mitglieder, die vorher schon stark in diesem Bereich unterwegs waren, konnten deutlichere Gewinne erzielen.
Gibt es hier dennoch Pläne, 2021 weiter nachzuschärfen?
Die gibt es. Unsere Händler sind zwar Händler mit Herz, die gerne im Shop stehen – da war Online bislang nicht so gut mit unserer DNA kompatibel – aber das Käuferverhalten hat sich durch die Lockdowns verändert, deshalb müssen wir definitiv nachschärfen. Wir haben schon vor 10 Jahren begonnen, ein Data Clearing Center aufzubauen, mit dem wir mittlerweile zu den führenden im deutschsprachigen Raum gehören. Das ist ein zentraler Datahub mit dem wir die Lieferanten mit unseren Händlern digital vernetzen. Über 400 Marken sind angebunden. Dadurch konnten wir einen digitalen Warentisch installieren, wodurch ein Händler alle Waren anbieten kann, auch die, die er gerade nicht im Geschäft hat. Er kann dabei auf unser Zentrallager oder auf das einiger unserer größten Lieferanten zurückgreifen. Damit hat er ein tolles erweitertes Angebot, das wir 2021 weiter forcieren wollen. Wir haben verstanden, dass wir unseren lokalen Stammkunden auch daheim am Sofa abholen müssen, ob er dann online kauft oder bei uns im Store, ist dann ihm überlassen.
Damit sind wir schon von 2020 zu 2021 übergegangen. Der Jahreswechsel hat für den Sportdrang der Österreicher immer eine besondere Bedeutung, denn „Mehr Sport“ findet sich jedes Jahr ganz oben bei den Neujahrsvorsätzen. Welchen Einfluss haben die auf das Sportgeschäft?
Wir haben das immer gespürt. Vor allem die Themen Laufen und Fitness für zu Hause stehen zu dieser Zeit hoch im Kurs. Dieses Jahr ist das aber anders. Das Thema Gesundheit hat durch Covid-19 einen enormen Push erfahren, da gehört auch Fitness dazu. Durch das Home-Office hat der Bewegungsdrang zugenommen. Vor allem Individualsportarten sind beliebt – im Sommer Laufen, Wandern und Fahrradfahren; im Winter Touren gehen, Langlaufen und Fitness zu Hause. Diese Trends lassen sich seit Beginn der Pandemie beobachten und wurden durch das Neujahr nur bedingt getriggert. Wir befinden uns auf einem konstant hohen Level.
Die Trends von 2020 sind ja auch die für 2021. Kamen die überraschend?
Gerade was das Tourengehen und Schneeschuhwandern angeht schon. Wir beobachten hier zwar schon in den letzten Jahren ein stetiges Wachstum, aber einen so starken Anstieg haben wir nicht erwartet. Das führt momentan leider auch zu Angebotsengpässen, weil die Händler und wir diese Nachfrage einfach nicht einkalkuliert haben.
Schauen Sie positiv in die Zukunft?
Ich bin absolut zuversichtlich. Zwar haben wir im Wintertourismus eine harte Zeit vor uns – da müssen wir einfach akzeptieren, dass die Saison gelaufen ist – für Frühling und Sommer bin ich aber durchaus positiv. Die Händler haben gut eingekauft und wir rechnen mit einem Wachstum in den Trendbereichen. Ich denke aber, dass erst 2022 wieder ein Jahr sein wird, wo wir "normal" verkaufen können.
Was sind Ihre Ziele für 2021?
Seit ich in der Sportbranche bin, war es noch nie so schwer, ein Jahr zu prognostizieren. Aber ich denke, dass wir das Kalenderjahr mehr oder weniger auf Vorjahresniveau abschließen können. Durch die bevorstehenden Impfungen sollte auch die nächste Wintersaison wieder stark sein, das zeigen Studien und auch ich bin überzeugt. Die Touristen wollen Ski fahren und werden wieder gerne nach Österreich kommen.
Bleibt nur zu hoffen, dass die Österreicher ihre Sportbegeisterung bis dahin behalten…
Zum einen das. Zum anderen aber auch das Bewusstsein für Regionalität. Die Österreicher haben sich in den letzten Monaten auch dahingehend sensibilisiert, dass regionale Händler wichtig sind und regionale Händler-Strukturen nur dann erhalten werden können, wenn man aktiv dort einkauft. Wenn diese Trends anhalten, dann tut uns das im Sporthandel gut.