Kommentar: Diese Kommunikation gehört in Quar...
Kommentar

Diese Kommunikation gehört in Quarantäne

Manstein Verlag
Dagmar Lang, Herausgeberin der Österreichischen Textilzeitung
Dagmar Lang, Herausgeberin der Österreichischen Textilzeitung

Faktenbasierte, konsistente Krisenkommunikation wäre eine sinnvolle Alternative zur jetzigen verbalen Berg-und-Tal-Fahrt der Regierungsmitglieder.

Margarete Schramböck, Wirtschaftsministerin, erntete intern für ihre ehrliche Antwort - "ich habe keine Glaskugel" auf die Frage nach einem Lockdown Kritik. Dabei hatte die ehemalige Top-Managerin nur eines beherzigt: in der Krise nur zu sagen, was man hundertprozentig weiß.

Im Gegensatz zu ihrem Kollegen Rudolf Anschober, der noch am 11. Oktober einen weiteren Lockdown als "fatal, verheerend und katastrophal" und daher unbedingt vermeidbar bezeichnet hatte. In Erinnerung sind uns die Sätze des Bundeskanzlers vom März 2020: 100.000 Tote hatte er uns in Aussicht gestellt, und jeder werde einen kennen, der an Covid-19 verstorben ist.

Nein, in meinem Freundeskreis ist bisher niemand an Covid-19 verstorben, dafür kenne ich dutzende Alleinerzieherinnen, die mit der Kurzarbeit zu Sozialfällen wurden, hunderte Unternehmer, die auf die zugesagten Förderungen warten und ebensoviele, die den Winter nicht überleben werden. Fassungslos saßen sie alle vor den Bildschirmen, als am Mittwoch in einer Pressekonferenz schärfere Maßnahmen angekündigt wurden.

Was würde das jetzt wieder bedeuten? Totaler Lockdown? Gastronomie und Handel? 48 Stunden hat die Bundesregierung hunderttausende Mitarbeiter und Unternehmer im Unklaren gelassen, für Existenzängste gesorgt, die pandemiemüde Bevölkerung weiter verunsichert, verantwortet, dass hyperaktive Player wie der Handelsverband blindlinks Forderungen erhoben, Gastronomen nicht wussten, ob sie einkaufen oder wegwerfen sollen. Die einfachsten Gebote der Krisenkommunikation wurden sträflich vernachlässigt.

"Wir werden nicht zulassen, dass in Österreich Ärzte darüber entscheiden müssen, wer behandelt wird und wer nicht", betonte Sebastian Kurz ununterbrochen. Nicht zulassen? Ein völlig unberechenbares Virus? Der Gesundheitsminister hat zugelassen, dass die Zahl der Neuinfizierten von 31. August bis 31. Oktober von 272 auf 5.349 pro Tag gestiegen sind. Die Regierung hat zugelassen, dass der Entwurf der Verordnung im Land verbreitet wurde, ohne dass vorher Sozialpartner, Oppositionsparteien und Landeshauptleute informiert wurden.

Der Bundeskanzler hat ausgewählte Chefredakteure am Freitag Abend zu einem Hintergrundgespräch gebeten, mit der Auflage, darüber nicht berichten zu dürfen. Klarerweise keine Chefredakteure von Medien der am meisten betroffenen Branchen, sondern natürlich nur die Schönen und Reichweiten dieses Landes. Um ihnen - wie Armin Thunher sehr treffend formulierte "vorzugaukeln, sie hätten auch etwas mitzureden."

In Wahrheit hat seit Monaten hier niemand etwas mitzureden, es wird auch selten zugehört und noch seltener die Bühne jenen überlassen, die einen Schulterschluss der Bevölkerung eher zu Stande bringen könnten: den Experten und Expertinnen aus Medizin und Wissenschaft. Dabei wäre faktenbasierte, konsistente Krisenkommunikation eine wirklich sinnvolle Alternative zur jetzigen verbalen Berg-und-Tal-Fahrt der Regierungsmitglieder, die jetzt mal in kommunikative Quarantäne gehören.




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