Ost(er)-Lockdown: Die dritte Welle
Ost(er)-Lockdown

Die dritte Welle

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Seit der Öffnung des Handels nach dem dritten Lockdown steigen die Infektionszahlen in Österreich wieder an. Im Bild: Die Wiener Fußgängerzone Favoritenstraße am 25. Februar 2021.
Seit der Öffnung des Handels nach dem dritten Lockdown steigen die Infektionszahlen in Österreich wieder an. Im Bild: Die Wiener Fußgängerzone Favoritenstraße am 25. Februar 2021.

Für die drei östlichen Bundesländer wurde ein sechstägiger Mini-Lockdown über Ostern angekündigt. Ob es dabei bleibt, ist mehr als fraglich. Nach Ostern sollen Kunden im Handel Eintrittstests vorweisen müssen.

Die Bundesregierung hat am Mittwochabend mit den drei östlichen Bundesländern Wien, Niederösterreich und dem Burgenland strengere Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie vereinbart. Die von den Landeshauptleuten Johanna Mikl-Leitner (NP; ÖVP), Michael Ludwig (Wien; SPÖ) und Hans Peter Doskozil (Burgenland; SPÖ) gemeinsam mit Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) verkündeten Verschärfungen sehen trotz gegenteiliger Ankündigungen auch wieder Schließungen im Handel vor.

Geschäftsschließungen

Von 1. April (Gründonnerstag) bis inklusive Di. 6. April gelten rund um die Uhr Ausgangsbeschränkungen wie in den bisherigen Lockdowns, also mit den bekannten Ausnahmen: Fahrt zur Arbeit, Erholung im Freien, Betreuung unterstützungsbedürftiger Personen und Abwendung von Gefahren. Damit muss zwischen 1. und 6. April auch der Einzelhandel wieder seine Geschäfte schließen, Ausnahmen sind wie gehabt die Güter des täglichen Bedarfs (Lebensmittelhandel, Apotheken, Trafiken u. ä.).

Zugangstests

Neu für den Handel: Vorerst beschränkt für die Woche nach Ostern, konkret von 7. bis 10. April, sind für Kunden Zugangstest geplant, wie sie bisher schon für persönliche Dienstleister wie Friseure oder Kosmetikerinnen galten. Kunden brauchen für ihren Einkauf also in diesem Zeitraum einen negativen Corona-Test. Ausgenommen sind auch hier die genannten Grundversorger. Nach dieser »ersten Phase« folgt eine Evaluierung mit Potenzial auf Ausdehnung, bestätigte man der APA aus dem Gesundheitsministerium. Die Frage zur Administrierbarkeit bleibt vorerst offen: Die konkrete Ausgestaltung dieser Maßnahme wird noch per Verordnung festgelegt.

Ausweitung der Maßnahmen wahrscheinlich

Ob es überhaupt zu diesen Zugangstests kommt, erscheint jedoch zumindest fraglich. Denn aufsperren dürfen die Geschäfte nach der »Osterruhe« nur »sofern es die Lage dann zulässt«, wie es aus dem Gesundheitsministerium heißt. Der Hauptgrund für die aktuellen Maßnahmen ist die bedrohliche Situation an den Intensivstationen. Und die Zeichen dort stehen derzeit keineswegs auf Erholung. Maßnahmen, die erst mit 1. April beginnen, könnten frühestens Mitte April zu sinkenden Neuzugängen auf den Intensivstationen führen, heißt es aus der Wissenschaft. Jedoch werde sich schon innerhalb der nächsten zwei Wochen die Zahl der Intensivpatienten von derzeit 447 auf 630 erhöhen, sagt das offizielle Corona-Prognosekonsortium voraus.
Die kurze Ruhephase von sechs Tagen werde nur reichen, diesen Trend in der Folge etwas abzuflachen, meinte Komplexitätsforscher Peter Klimek gestern abend in der »ZiB2«, nicht jedoch, um in umzukehren. Nötig wäre aber eine wirkliche Entspannung der Lage. Und: »Je schneller wir die Zahlen runterkriegen umso schneller können wir wieder öffnen«, so Klimek, der auch Teil dieses Corona-Prognosekonsortiums ist.

»Längere Zeit der Entbehrungen«

Eine Verlängerung bzw. Ausweitung der Maßnahmen will deshalb auch die Politik nicht ausschließen. Dies werde in erster Linie von der Situation in den Intensivstationen abhängen, räumten Ludwig und Doskozil ein. »Ich sage es sehr deutlich: Wenn wir nicht sehr zeitnah Ergebnisse sehen, dass wir über das Paket hinaus Maßnahmen setzen müssen«, so Ludwig. Gesundheitsminister Anschober warnte davor, dass der Anstieg auch in anderen Regionen wegen der britischen Mutation des Virus sehr rasch gehen könnte. Salzburg liegt mit einer Sieben-Tage-Inzidenz von 291 (Stand: 25. 3. 8.00 Uhr) nur noch knapp hinter Wien (300) und bereits vor Niederösterreich (287) und dem Burgenland (277), während Tirol ein enorm schnelles Wachstum aufweist: In nur sieben Tagen erhöhte sich der Inzidenz-Wert dort von 176 auf 234 pro 100.000 Einwohner.
Ludwig rechnet damit, dass sich der Osten auf eine längere Zeit der Entbehrungen einstellen muss. Zwar habe er letzte Woche noch überlegt, die Schanigärten aufzusperren. »Die Situation ist jetzt so, dass ich davon ganz bewusst Abstand nehme, mit Sicherheit auch für eine längere Zeit.« Denn man müsse jetzt mit einem gemeinsamen Signal deutlich machen, »dass die Leute auf absehbare Zeit auf derartigen Vergnügen verzichten müssen. Wir müssen die nächsten acht bis zehn Wochen noch durchstehen, bis ein größerer Teil der Bevölkerung durchgeimpft ist.«

»Harter Nackenschlag für den Handel«

Rainer Trefelik, Obmann der Bundessparte Handel in der Wirtschaftskammer, zeigte sich schwer enttäuscht von den Entscheidungen. Er sprach von einem »weiteren harten Nackenschlag« für den Handel. »Wir sind ja schon seit 111 Tagen geschlossen. Jeder Tag zusätzlich tut weh«, so Trefelik. Die Ostereinkäufe seien für den Handel der zweitgrößte Umsatzbringer nach dem Weihnachtsgeschäft, mit dem sechstägigen Lockdown entfalle der größte Teil dieses wichtigen Geschäfts – und das schon zum zweiten Mal. Auch durch die angekündigten Zutrittstests seien weitere Umsatzverluste vorprogrammiert.
»Der Handel war gestern sicher und wird auch morgen sicher sein. Alle bisherigen Untersuchungen bestätigen, dass die Geschäfte alles andere als Hot-Spots für Ansteckungen sind. Aus dem Handel sind keine Clusterbildungen bekannt.«
Immer mehr Betrieben gehe trotz Wirtschaftshilfen die Kraft zum Weitermachen aus, so der WKO-Branchenvertreter. »Wir fordern daher die Regierung auf, für diese für den Handel so wichtigen Tage Unterstützungs- und Kompensationsmaßnahmen auf den Weg zu bringen.«

Handelsverband »fassungslos«

»Fassungslos« zeigt sich Handelsverbands-Obmann Rainer Will über die bevorstehende Schließung von insgesamt 5.000 Geschäften in Ostösterreich. Diese würde eine halbe Milliarde Umsatz kosten, rechnete er vor. Dabei gebe es »unzählige« Studien, wonach der Handel nicht nennenswert zur Verbreitung von Corona beitrage. Laut AGES-Clusteranalysen würden die weitaus meisten Infektionen im Haushalt und in der Freizeit stattfinden.
Die Testpflicht für Kunden werde von Handelsseite »kategorisch abgelehnt«, so Will. »Zutrittstests in den Geschäften würden kaum etwas an den Corona-Fallzahlen ändern, aber bis zu zwei Drittel aller Umsätze im Non-Food-Handel vernichten. Wir reden hier allein in Wien, Niederösterreich und dem Burgenland von 280 Millionen Euro Umsatzverlust pro Woche.« Vielerorts würde sich ein Offenhalten damit wirtschaftlich nicht mehr rentieren. Auch aufgrund der begrenzten Aufenthaltsdauer seien Eintrittstest nicht verhältnismäßig. »Wir haben in den Geschäften eine durchschnittliche Einkaufsdauer von lediglich 13 Minuten. Daher wären verpflichtende Corona-Eintrittstests weder sinnvoll noch praktikabel.«




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