Kann ein Mietobjekt wegen eines Betretungsverbotes nicht benutzt werden, entfällt auch die Pflicht zur Mietzahlung. Das bestätigte der Oberste Gerichtshof in letzter Instanz.
Ein Sonnenstudio zahlte im April 2020 keine Miete und begründete dies mit dem verordneten Betretungsverbot als eine der Maßnahmen zur Bekämpfung der Covid-19-Pandemie. Der Vermieter war damit nicht einverstanden, er prozessierte und zwar bis zum Obersten Gerichtshof (OGH). Dieser urteilte nun: Der Mieter hatte Recht. Die Argumentation: Mieter müssten laut ABGB keinen Mietzins bezahlen, wenn der Mietgegenstand wegen »außerordentlicher Zufälle« wie insbesondere »Feuer, Krieg oder Seuche« nicht genutzt werden kann. Diese Voraussetzung sei hier »unzweifelhaft« erfüllt, so der OGH.
Hintergrund dieses Rechtsstreites ist die inzwischen schon seit über einem Jahr andauernde Diskussion zwischen Vermietern und Mietern, ob während der Lockdownzeiten Miete zu zahlen ist oder nicht. »Der Standpunkt der Mieter dabei war, dass das Geschäftslokal aufgrund der Lockdowns nicht benutzbar war und daher gemäß § 1104 ABGB die Pflicht zur Zahlung der Miete (und der Betriebskosten) entfällt«, fasst Paul Kessler von der Wiener Anwaltskanzlei SKPR die Sachlage zusammen. »Dieser Rechtsansicht folgt nunmehr auch der Oberste Gerichthof. Er bestätigt, dass Covid-19 eine Seuche im Sinne des § 1104 ABGB ist und, im Falle der gänzlichen Unnutzbarkeit eines Geschäftsraumes, etwa aufgrund eines Betretungsverbotes, keine Pflicht zur Zahlung von Miete und Betriebskosten besteht.«
Hier der Link zum OGH-Urteil.
Offene Fragen
»Diese Entscheidung mag den Standpunkt der Mieter zwar klar untermauern, dennoch bleiben diverse Fragen unbeantwortet«, so Kessler, dessen Rechtsanwaltskanzlei in der komplexen Causa der Miet- und Pachtverpflichtungen mit zahllosen offenen Verfahren als Rechtsbeistand tätig ist. »Beispielsweise ist nach wie vor offen, in welchem Umfang Miete bei einer teilweisen Nutzbarkeit zu zahlen ist (Stichwort Take Away in der Gastronomie oder Click & Collect im Handel) und ob und in welchem Umfang diese Entscheidung auch auf Pachtverhältnisse (Stichwort Einkaufszentren) anzuwenden sind. Hierzu werden weitere Entscheidungen ergehen, eine erste Grundsatzentscheidung liegt jedoch mit dem heutigen Tag vor.«
Einigungsvorschlag der Vermieter
Das Thema Miet- bzw. Pachtzahlungen beschäftigt bereits seit Ausbruch der Corona-Pandemie die Gerichte. Vermieter sehen sich durch die bisherige Rechtsprechung grob in ihren Interessen benachteiligt. Stephan Mayer-Heinisch, Obmann des ACSP (Austrian Council of Shopping Places, sieht nun dringenden Unterstützungsbedarf für die Handelsimmobilienbranche, die bisher das Nachsehen bei öffentlichen Förderungen im Zusammenhang mit COVID-19 hatte. Immobilienbetreiber seien »davon bedroht, ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen zu können. Ein Faktum, das durch den neuerlichen Lockdown noch gravierender geworden ist«, so Mayer-Heinisch. Er fordert deshalb »ein transparentes, nachvollziehbares und rasch umsetzbares Kosten-Ersatz-Modell für Lockdown-Phasen«.
Der Vorschlag des ACSP: »Der Staat leistet an die Bestandgeber 50 % der Mieten bzw. Pachten, wenn der Bestandnehmer nachweist, 25 % der Miete/Pacht bezahlt zu haben; auf die restlichen 25 % sollten die Immobilieneigentümer verzichten.« Ein ähnliches Modell sei bereits im Frühjahr 2020 in der Tschechischen Republik erfolgreich eingesetzt worden.