Der heimische Modehandel konnte seine Umsätze im ersten Halbjahr gegenüber 2021 um gut 20 % steigern. Das Niveau von vor der Krise erscheint aber auf absehbare Zeit unerreichbar. Dazu kommen die enormen Belastungen durch die Energiekrise.
Alles andere als Entwarnung gibt WKO-Handels-Obmann Rainer Trefelik angesichts der Halbjahres-Zwischenbilanz für den heimischen Einzelhandel. »Das erste Halbjahr sieht umsatzmäßig nur auf den ersten Blick zufriedenstellend aus. Bei näherem Hinsehen bleibt angesichts der hohen Preissteigerungen vom Wachstum kaum etwas übrig.« Und, mit Blick vor allem auf den Mode- und Schuhhandel: »Einzelne Branchen erleben die Fortsetzung einer nun schon sehr lange andauernden Durststrecke.« So konnte der gesamte Einzelhandel seine Umsätze im ersten Halbjahr zwar nominell um 7,6 % steigern. Preisbereinigt bedeutet dies aber lediglich ein Plus von 0,2 %.
Dass eine Erholung anders aussieht, zeigt insbesondere ein Blick auf die monatliche Umsatzstatistik: So gab es lediglich in zwei Monaten reale Zuwächse im Absatzvolumen, das weitaus kräftigste im Jänner (+ 19,8 %). Wohlgemerkt: Im Vergleichsmonat, dem Jänner 2021, befand sich das Land den ganzen Monat hindurch in einem harten Lockdown, in dem nur der lebensnotwendige Handel offenhalten durfte. Ansonsten konnte nur noch im April (+ 4,4 %) ein reales Plus erzielt werden.
Die Umsätze im Bekleidungshandel lagen im 1. Halbjahr um 21,7 % über dem Niveau von 2021, jedoch um 12,7 % unter jenem von 2019.
Modische Branchen hinken weit hinterher
Klar überdurchschnittliche Zuwächse im Vergleich zu 2021 erzielten die modischen Branchen. Die Einbrüche der Vorjahre wurden damit jedoch immer noch bei weitem nicht ausgeglichen: So stiegen die Umsätze des Bekleidungseinzelhandels im Jahresvergleich zwar nominell um 21,7 %, die des Schuheinzelhandels um 12,3 %. Gegenüber dem 1. Halbjahr 2019 bedeutet das für den Bekleidungshandel jedoch immer noch ein Minus von 12,7 %, für den Schuhhandel sogar eines von 21,2 %.
Schwer taten sich im ersten Halbjahr außerdem all jene Branchen, für die die Corona-Zeit außergewöhnlich gut verlief: Möbelhandel, Elektrohandel sowie Baumärkte mussten heuer bis dato allesamt klar zweistellige Umsatzrückgänge verkraften – schließlich wurden Haus und Garten vielerorts bereits in den letzten beiden Jahren auf Vordermann gebracht. Auch der heimische Onlinehandel beendete das 1. Halbjahr mit einem kleinen Minus (- 1,6 %). Er liegt damit aber weiterhin um 20 % über dem Vorkrisenniveau und damit am Spitzenplatz unter allen Handelszweigen.
Energiepreise als drängendstes Problem
Auch angesichts der nunmehrigen Energiekrise sieht Handels-Obmann Trefelik den Handel in einer »sehr schwierigen Situation«. Nicht nur mit Blick auf die merklich eingetrübte Konsumlaune, sondern vor allem angesichts der explodierenden Kostensituation für den Handel. Zwar würden die Energiekosten im Einzelhandel üblicherweise nur für 0,7 % der Gesamtkosten stehen. Bei der aktuellen Vervielfachung der Preise sei da aber schnell der gesamte Gewinn eines Handelsunternehmens aufgefressen, warnt der Branchensprecher. Dazu käme bald die Indexierung der Mieten. »Das geht sich nicht aus, wenn man sich die durchschnittliche Bilanz eines Händlers ansieht«, so Trefelik.
Im Schnitt würden die Ergebnisse im Einzelhandel auf EBIT-Ebene zuletzt bei 2 bis 3 % liegen, rechnet Peter Voithofer vom Economica Institut vor. Bereits für heuer sei von einer Verdrei- bis Verfünffachung der Energiekosten auszugehen. »Gegen das, was sich jetzt bei den Energiepreisen abspielt, waren die Auswirkungen von Corona im Handel ein Kindergeburtstag«, formuliert Trefelik spitzt und fordert deshalb ähnliche Stützungsmaßnahmen wie sie im Zusammenhang mit der Pandemie schnell auf den Tisch gebracht wurden. Vor allem aber müsse sich die Energiebranche vom höchst umstritten Preisbildungssystem nach der Merit Order verabschieden, wonach sich der Strompreis unabhängig von den tatsächlichen Entstehungskosten immer nach dem teuersten (Gas-)Kraftwerk richtet. »Das ist ein Marktversagen«, kritisiert Trefelik.