EHL Immobilien: Zuversicht für Retail-Neuverm...
EHL Immobilien

Zuversicht für Retail-Neuvermietungen

EHL
Mario Schwaiger, Einzelhandelsexperte bei EHL
Mario Schwaiger, Einzelhandelsexperte bei EHL

Die Perspektiven für den Markt für Einzelhandelsimmobilien haben sich wieder deutlich verbessert. Viele neue Konzepte drängen auf den Markt, die Mieten erweisen sich deshalb als überraschend stabil.

Die negativen Folgen der Corona-Pandemie sind mittlerweile bereits großteils eingetreten, jetzt rücken verstärkt die Chancen in den Vordergrund, die sich aus dem veränderten Umfeld ergeben. »Die Neuvermietung von Einzelhandelsflächen wird 2022 deutlich steigen«, erwartet deshalb Mario Schwaiger, Einzelhandelsexperte beim Wiener Immobiliendienstleister EHL. Verharrten 2020 viele Marktteilnehmer in abwartender Position, gelang es bereits im Vorjahr wieder, zahlreiche Projekte abzuschließen. »Schon 2021 hatten wir erfreulicherweise ein sehr gutes Jahr. Aktuell trifft eine beachtliche Zahl spannender Retailkonzepte auf ein überdurchschnittlich großes Angebot attraktiver Flächen in sehr guten Lagen. Wir haben ein echtes window of opportunity, das heimische wie internationale Unternehmen motiviert, Innovationen rasch umzusetzen.«

Das Mietniveau erweise sich aufgrund der starken Nachfrage nach Flächen insgesamt als überraschend stabil – vor allem in guten Innenstadtlagen und in Fachmarktzentren, den größten Profiteuren der Covid-Krise.

Fashion weiter am Rückzug

Der Strukturwandel in den Einkaufsstraßen hat sich durch Covid-19 deutlich beschleunigt. Während etablierte Retailer ihr Filialnetz optimieren bzw. straffen, drängen viele Newcomer auf den Markt. Das trifft vor allem den Modehandel, den Schwaiger auch 2022 noch eher im Rückzug begriffen sieht. »Die Bereinigung setzt sich fort, nicht mehr rentable Filialen werden geschlossen. Die Branche ist auch nach wie vor sehr aktiv beim Nachverhandeln mit den Vermietern«, meint der Experte. »Umgekehrt prüfen auch im Fashion-Bereich viele neue Konzepte den österreichischen Markt und sehen sich aktiv nach eigenen Stores um.« Dabei setze sich der Trend weg von Multilabel- und hin zu Monobrand-Stores fort.

LEH, Gastro und Dienstleistungen am Vormarsch

Besonders expansiv ist derzeit der Lebensmittelhandel, »aus dieser Branche kommen gefühlt 80 % der Anfragen«, so Schwaiger. Die etablierten Supermarktketten bauen ihre Filialnetze weiter aus, Biosupermärkte gewinnen ebenfalls an Terrain und nicht zuletzt suchen auch Online-Lebensmittelhändler wie Jokr, Mjam Market oder Flink verstärkt Flächen in zentralen Lagen, um von diesen aus kurze Zustellzeiten garantieren zu können. »Die Lebensmittelbranche ist eindeutig der große Gewinner der vergangenen beiden Jahre«, berichtet Schwaiger. »Die Bereitschaft, in hochwertige, gesündere und damit auch teurere Produkte zu investieren, ist deutlich gestiegen. Negative Covid-Effekte, insbesondere aus dem Jahr 2020, hat man großteils überwunden und das befeuert das Branchen- und Flächenwachstum.« Ebenfalls auf dem Vormarsch sind Gastronomie und Dienstleistungen, auf die ein immer größerer Anteil der klassischen Einzelhandelsflächen entfällt.

Verzahnung von Online und Offline

Ein weiterer wichtiger Innovationsmotor ist die immer stärkere Verzahnung von Online- und Offlinehandel. Vormals reine Online-Player prüfen verstärkt stationäre Flächen, während aus dem klassischen Einzelhandel kommende Konzepte ihr Multichannel-Angebot pushen. »Die Angst, dass der Onlinehandel den stationären Handel verdrängt, hat sich endgültig als unbegründet erwiesen. Es ist wie beim Homeoffice: Keiner will nur zuhause sitzen, keiner will nur online shoppen, sondern auch hinaus, etwas erleben, den Einkauf mit einem Besuch der Gastronomie verbinden«, so Schwaiger. »Das Konzept der Filiale als Showroom sowie Beratungs- und Servicestützpunkt für Kunden, die ihre Käufe dann sowohl stationär als auch online abschließen, setzt sich langsam, aber sicher auf breiter Front durch. Die großen Filialisten leben das schon, gerade im Textilbereich.«

Nebeneffekt: Der große Bedarf an Stützpunkten für die Citylogistik, also die Auslieferung kleiner Warensendungen an den Konsumenten, eröffne zusätzliche Vermietungspotenziale für Retailflächen, auch jenseits der stark nachgefragten Bestlagen. »So bekommen auch Flächen, die in den letzten Jahren schwer vermittelbar waren, eine Chance«, meint Schwaiger.

Einkaufsorte im Wandel

Der beschleunigte Strukturwandel werde das Bild von Innenstädten, Einkaufsstraßen und Einkaufszentren nachhaltig verändern, prognostiziert Schwaiger. »Gastro, Service, Entertainment, Window Shopping und zumindest einen Teil der Einkäufe dann erst online von zu Hause abschließen, wird der Einkaufsbummel der Zukunft sein. Für den Markt für Einzelhandelsimmobilien bedeutet das eine tiefgreifende Änderung, aber letztlich mehr neue Chancen als Probleme.«



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