Corona-Pandemie : Positive Zwischenbilanz am ...
Corona-Pandemie

Positive Zwischenbilanz am ersten Einkaufstag

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Eine Menschenschlange vor einem Geschäft auf der Mariahilfer Straße in Wien am Montag, 8. Februar 2021
Eine Menschenschlange vor einem Geschäft auf der Mariahilfer Straße in Wien am Montag, 8. Februar 2021

Nach sechswöchigem Corona-Lockdown hat der Non-Food-Handel seit Montag wieder aufgesperrt. Der Handelsverband zog bereits am frühen Nachmittag eine positive Zwischenbilanz.

Die Winterware stapelt sich in den Geschäften. Vor allem Mode-, Schuh- und Sportartikelhändler, aber auch Möbelketten wollen mit hohen Rabatten die Kunden in die Geschäfte locken. Am ersten Tag schien dies zu gelingen: Zumindest in den Wiener Einkaufsstraßen herrschte reges Treiben, in sozialen Medien gab es zahlreiche Bilder von langen Schlangen vor Geschäften. »Wir sind mit dem heutigen Geschäftsstart zufrieden«, erklärte Handelsverbands-Geschäftsführer Rainer Will in einer ersten Stellungnahme am frühen Nachmittag. »Auffällig ist, dass die Warenkörbe weit größer sind als üblich.« Ein großer Modefilialist berichtete gegenüber der Textilzeitung von dreimal so hohen Umsätzen wie am vergleichbaren Montag des Vorjahres.

»Vorbildliche Kunden«

Aufgrund der verschärften Abstands- und Zutrittsregeln (zwei Meter Abstand bzw. 20 Quadratmeter pro Kunde) bildeten sich immer wieder Kundenschlangen vor einzelnen Geschäften, trotzdem verlief alles ruhig und sicher, heißt es vom Handelsverband. »Etwaige Wartezeiten werden von den Kunden generell geduldig und unter Einhaltung der Abstands- und Hygienevorgaben gut angenommen. Die Konsumenten sind sehr diszipliniert, unaufgeregt und agieren vorbildlich«, berichtet Will.

Gute Umsätze in Wien, wenig Andrang in Tourismusregionen

Sowohl aus Wien als auch aus den meisten Bundesländern melden die Händler und Shopping-Center-Betreiber einen guten Betrieb, überdurchschnittliche Umsatzzahlen und viele Schnäppchenjäger. Einige Bezirkshauptstädte hatten jedoch im Vorfeld höhere Frequenzen erwartet. Weniger Andrang verzeichnen die Händler in den Tourismus-Regionen von Tirol, Vorarlberg und Salzburg, wo sich das Fehlen ausländischer Gäste weiterhin klar in den Geschäftszahlen bemerkbar macht.

Die rechtlichen Rahmenbedingungen

Neben den erwähnten verschärften Abstandsregeln müssen Kunden im Handel nun eine FFP2-Maske (oder ein höherwertiges Modell) tragen. Für Mitarbeiter mit Kundenkontakt genügt ein eng anliegender Mund-Nasen-Schutz. Darüber hinaus sind sie verpflichtet, spätestens alle sieben Tage einen negativen Coronatest vorzuweisen. Dieser darf laut dem neuen General-Kollektivvertrag in der Arbeitszeit stattfinden. Dabei muss der Arbeitgeber die aufgewendete Zeit inklusive Wegzeit als Arbeitszeit bezahlen. Kommt eine Arbeitnehmerin bzw. ein Arbeitnehmer der Testverpflichtung nicht nach, besteht eine Pflicht eine FFP2-Maske zu tragen. Ausnahmen gibt es z.B. für schwangere Arbeitnehmerinnen. Es gelten nur die Ergebnisse von offiziellen PCR- oder Antigen-Tests, Selbsttests inklusive Schultests sind laut Gesundheitsministerium nicht gültig. Umgekehrt gilt: Legt eine Mitarbeiterin oder ein Mitarbeiter ein negatives Corona-Testergebnis vor, kann der Arbeitgeber nicht auf dem Tragen einer FFP2-Maske bestehen. In diesem Fall genügt ein Mund-Nasen-Schutz.
Im neuen Generalkollektivvertrag ist darüber hinaus auch eine Maskentragepause von zehn Minuten nach drei Stunden Tragezeit vorgesehen. Während dieser Zeit können andere Arbeiten ohne Kundenkontakt erledigt werden. Diese Unterbrechung gilt als Arbeitszeit, wenn nicht gleichzeitig z.B. die Mittagspause stattfindet.
Abgesehen von diesen Neuerungen sind weiterhin die bisherigen Beschränkungen in Kraft. So dürfen etwa nach wie vor in den Geschäften keine Speisen oder Getränke ausgegeben bzw. konsumiert werden. Die Abendöffnung ist auf 19 Uhr beschränkt.

»Gehen in Ware unter«

WKÖ-Handelsobmann Rainer Trefelik verteidigte im Vorfeld die massiven Rabattaktionen. Besonders der Modebereich gehe »in Ware unter«, sagte Trefelik. »Da braucht sich keiner aufregen, dass wir mit Rabatten arbeiten.« Viele Händler müssten Teile ihres Sortiments nach dem seit Weihnachten andauernden Lockdown mit hohen Preisnachlässen abverkaufen, um wieder Geld in die Kassen zu spülen. »Jetzt wird es ohne Rabatte nicht gehen.« Für den WKÖ-Handelsobmann ist die heutige Öffnung aber nur »ein erster Hoffnungsschimmer«. Denn weiterhin beeinträchtigt ist das Geschäft durch die Hygieneeinschränkungen und die zumindest bis Ende Februar gesperrte Gastronomie. Handelsverband-Geschäftsführer Will erwartet deshalb, dass im »Lockdown light« dem Handel noch zwischen 250 und 300 Mio. € Umsatz wöchentlich verloren gehen. Nur ein Teil dieser Umsatzverluste könne nachgeholt werden, vieles verlagere sich in den Onlinehandel oder sei überhaupt verloren.
Zurückhaltend äußert sich auch Ernst Gittenberger vom Institut für Handel, Absatz und Marketing der Johannes Kepler Universität Linz (JKU). Geschlossene Gastronomie und Maskentragepflicht würden sich negativ auf Kauferlebnis, Verweildauer und Ausgaben auswirken, so der Handelsexperte. Zudem würden die hohe Sparquote, hohe Arbeitslosigkeit und die allgemeine Verunsicherung der Konsumenten eher gegen allzu große Nachziehkäufe sprechen.

Kritik an der Öffnung

Nicht alle halten die Öffnungen für den richtigen Schritt. Sorgen bereitet derzeit bekanntlich vor allem die Ausbreitung der südafrikanischen und britischen Coronavirus-Mutationen in Österreich. SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner sieht die Lockerungen angesichts hoher Infektions- und der niedrigen Impfzahlen als »großes Risiko«. Auch die in Bayern regierende CSU kritisiert die Lockerungen. »Österreich und Tschechien gefährden mit ihrer unverantwortlichen Öffnungspolitik unsere Erfolge in Deutschland«, kritisierte CSU-Generalsekretär Markus Blume in der »Bild am Sonntag«. Zuvor hatte bereits Bayerns Ministerpräsident Markus Söder vor einer »überstürzten Lockerung« in Österreich gewarnt.
Der Handel selbst versucht naturgemäß, etwaige Bedenken, die Wiedereröffnung der Geschäfte könnte die Corona-Fallzahlen nach oben treiben, zu zerstreuen. Diese Gefahr sei mittlerweile durch mehrere wissenschaftliche Studien entkräftet worden, sagt etwa Rainer Will. »Der Handel ist kein Corona-Hotspot, dafür sind die Aufenthaltsdauern zu gering und der Kundenkontakt zu lose. Auch in den Untersuchungen der AGES konnte keine Clusterbildung in den Geschäften nachgewiesen werden.« Daher hoffe der heimische Handel auf eine dauerhafte Öffnung, denn einen vierten harten Lockdown würden viele Händler wirtschaftlich nicht überleben. »In keiner anderen Branche ist der wirtschaftliche Schaden so hoch zu beziffern wie im Handel, daher verliert das Finanzministerium auch in keinem anderen Wirtschaftssektor mehr Mehrwertsteuer-Einnahmen als im Handel«, so Will. Allein im Handel seien die Arbeitslosenzahlen coronabedingt um ein Drittel angestiegen. 10.000 Handelsunternehmen seien de facto zahlungsunfähig, 100.000 Jobs in der Branche würden wackeln. »Das Motto für 2021 für die heimischen Betriebe heißt: Leben und Wirtschaften mit dem Virus, denn Corona wird uns noch länger begleiten und wir müssen die ökonomischen, sozialen und psychischen Kollateralschäden der Gesundheitskrise eindämmen.«



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